Merkel:Nur Ruhe auf Zeit

Die Nominierungen für die CDU-Ministerien werden Angela Merkels Kritiker besänftigen - vorerst. Vor allem in Jens Spahn hat sich die Kanzlerin einen scharfen Kritiker ins Kabinett geholt. Eine Lösung für die grundsätzliche Krise der Partei sind die neuen Personalien aber nicht.

Von Ferdos Forudastan

Es ist eine Atempause, nicht weniger und nicht mehr. Eine Atempause für die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, eine Atempause für ihre Partei. Mit den Ministern, die sie nun für eine mögliche weitere große Koalition ausgeguckt hat, macht Merkel zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage klar: Ich habe verstanden! Sie signalisiert ihren Kritikern, dass sie deren Ruf gehört hat, die Union müsse sich erneuern, sie müsse jünger werden und, vor allem, ihren konservativen Wurzeln besser als bisher entsprechen. Das wird jene, die zuletzt immer lauter gemault haben, fürs Erste ruhigstellen. Dass diese Ruhe anhält, ist allerdings unwahrscheinlich.

Und schon diese Ruhe auf Zeit hat ihren Preis. Dass Merkel ihren ärgsten Widersacher Jens Spahn einbindet, mag taktisch richtig sein. Dass sie ihm das Gesundheitsministerium geben will, in dem man viel Arbeit und Ärger hat, ist schlau. Die Entscheidung für Spahn zeigt aber auch, wie sehr Merkel unter Druck steht und dass sie, um ihre Macht zu sichern, ihre Abscheu gegen Illoyalität ausblendet und ihre eigene Liberalität hintanstellt. Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied und parlamentarischer Staatssekretär, hat Merkels Kurs der Mitte nicht nur offen kritisiert, sondern überdies gegen sie intrigiert. Der erst 37-jährige Christdemokrat gehört außerdem zu den Unionspolitikern, die bei den Themen Flüchtlinge oder Islam mal haarscharf an der Grenze zum Rechtspopulismus entlangtänzeln - und sie auch mal völlig ungerührt überschreiten.

Hinter der Personalie Spahn, der Symbolfigur der Merkel-Gegner schlechthin, verblasst fast ein bisschen, dass der Kanzlerin mit der weithin unbekannten Mittvierzigerin Anja Karliczek als möglicher künftiger Bildungsministerin eine echte Überraschung gelingt. Hinter der Entscheidung für Spahn gerät nahezu aus dem Blick, wie sehr die übrigen christdemokratischen Minister, inklusive der bei Konservativen wohlgelittenen Julia Klöckner, nach dem Geschmack der Kanzlerin sind.

Die CDU hat unter ihrer langjährigen Vorsitzenden das Debattieren fast verlernt

Gewiss, nach ihrem Coup vom vergangenen Montag, als Merkel die in der Union flügelübergreifend beliebte Annegret Kramp-Karrenbauer zur künftigen Generalsekretärin ausrief, zeigt die CDU-Vorsitzende sich nun ein weiteres Mal wendig. Ärger erspart sie sich und ihrer CDU damit auf Dauer aber nicht. So ist keineswegs ausgemacht, dass Jens Spahn oder Julia Klöckner es hinnehmen werden, wenn Annegret Kramp-Karrenbauer unter dem persönlichen Schutz Merkels zu deren Nachfolgerin heranwächst. Spahn und Klöckner sind ehrgeizig genug, sich selbst in dieser Rolle zu sehen. Und die beiden bekämen - Kabinettsdisziplin hin oder her - mit einem Ministeramt mehr Aufmerksamkeit und Einfluss als bisher. Und weitere Möglichkeiten, sich als Hoffnungsträger der Jüngeren in der Partei zu profilieren.

Ausgemacht ist außerdem nicht, wie künftig die Debatten in einer CDU verlaufen, die unter ihrer Vorsitzenden Merkel das Debattieren fast verlernt hat. Einer CDU, die gar nicht so recht definieren kann, was eigentlich das Konservative sein soll, nach dem ein Teil von ihr sich so sehnt, und die deswegen umso anfälliger für diffuse Stimmungen ist. Einer CDU, die (wenngleich weniger als die SPD) mit der Krise des Parteiensystems kämpft. Und die bisher keine Idee entwickelt hat, wie diese Krise sich überwinden ließe.

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