Merkel in Kiew:Fingerzeig in schwierigen Zeiten

Bundeskanzlerin Merkel in der Ukraine

Merkel und Präsident Poroschenko: Beim Besuch in Kiew hat die Kanzlerin klare Botschaften für die Ukraine.

(Foto: dpa)

Kanzlerin Merkel will in Kiew deutlich machen: Deutschland hilft der Ukraine, wo es kann. Ihre Kurzvisite beim ukrainischen Präsidenten Poroschenko hat aber auch eine weitere klare Botschaft.

Von Stefan Braun, Kiew

Seelenmassage, Finanzhilfe, Vermittlungsdienste - Angela Merkels Kurzvisite in der ukrainischen Hauptstadt soll dem kriegsversehrten Land auf vielerlei Weise helfen. In knapp fünf Stunden hat sie nicht nur mit dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten gesprochen. Sie hat auch mehrere Bürgermeister getroffen. Merkels Botschaft: Deutschland hilft der Ukraine, wo es kann. Frieden freilich kann sich so einfach auch nicht bringen. Und für eine wirklich stabile Zukunft der Ukraine muss Kiew sich um alle Menschen im Land kümmern, auch jene im Süden und Osten.

Als Angela Merkel am Samstag vor dem Empfangshaus des ukrainischen Präsidenten eintrifft, wartet sie nicht lange mit ihrer wichtigsten Botschaft. Bei der Begrüßung mit Petro Poroschenko sagt sie das, was man immer sagt in solchen Momenten, nämlich: "Ich bin sehr gerne hierhergekommen in schwierigen Zeiten."' Und dann erklärt sie, dass sie mit Poroschenko über Berlins Unterstützung sprechen wolle ,"auf dem Weg zu einem Frieden, den wir gehen müssen".

Es ist keine harte Aussage. Es ist ein Fingerzeig Merkel'scher Prägung. Und der liest sich wie eine leise Vorbereitung auf schwere Beschlüsse. Die deutsche Kanzlerin will Hilfe bringen, aber auch über langfristige Notwendigkeiten reden. In Berlin macht sich das Gefühl breit, dass der Krieg in der Ostukraine von keiner Seite wirklich gewonnen werden kann. Nicht von den Separatisten, nicht von der Ukraine. Deshalb stellt sich immer drängender die Frage, was das für Kiew bedeutet.

Zunächst freilich geht es bei dieser Kurzvisite um Hilfe, um Unterstützung, um wenigstens ein bisschen Sicherheit in schwierigen Zeiten. Deshalb hat die Kanzlerin gleich mehrere Zeichen der Solidarität im Gepäck. Sie berichtet Poroschenko, dass Berlin die Hilfen des Entwicklungsministeriums in den letzten Tagen von 25 auf 45 Millionen Euro aufgestockt hat. Außerdem verspricht Merkel zusätzliche 25 Millionen Euro, mit denen Berlin den Bau von winterfesten Flüchtlingsunterkünften unterstützt, die rund 7000 Menschen festen Unterschlupf bieten werden. Noch ist es Sommer in Kiew. Aber der Winter wird kommen. Und Berlin will zeigen, dass es schon jetzt daran denkt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz sagt Merkel, die ,"territoriale Integrität und das Wohlergehen der Ukraine'" seien zentrale Ziele Deutschlands.

Deutschland - "Ein zuverlässiger Freund und Partner"

Das zeigt sich in besonderer Weise auch an einer anderen Zusage der Kanzlerin. So werden zwanzig schwer verletzte ukrainische Soldaten auf Kosten der Bundeswehr nach Deutschland gebracht und dort behandelt. Und schließlich bietet Berlin Bürgschaften für 500 Millionen Euro, die vom ukrainischen Staat oder auch von privaten Investoren als Kredite für den Bau oder die Wiederherstellung von Schulen und der Wasser- und Energieversorgung genutzt werden sollen. Mit all dem verbindet sich die Hoffnung, dass die ukrainische Regierung gestärkt wird. Diese kämpfe einen Herkuleskampf gegen immer größere wirtschaftliche Schwierigkeiten und wachsende interne Konflikte, heißt es am Rande der Reise. Deshalb seien derlei Hilfen so wichtig. Sie sollen dazu beitragen, eine Führung in unsicherer Lage zu stabilisieren.

Kein Wunder, dass sich der ukrainische Präsident an diesem Samstagnachmittag in besonderer Weise bedanken möchte. Von zahlreichen Telefonaten mit Merkel berichtet er und von noch mehr Kontakten, die alle belegten, wie entschlossen Berlin sich für eine friedliche Zukunft der Ukraine einsetze. ,"Deutschland hat heute demonstriert, dass es unser zuverlässiger Freund und Partner ist.'" Der Präsident weiß genau, wie wichtig derlei Unterstützung für ihn ist, auch gegen die wachsende Kritik im eigenen Land.

Allerdings ist das nicht die einzige Botschaft, die Merkel mitbringt. Schon nach den ersten zwei, drei Sätzen erinnert sie daran, wie sehr die Ukraine aus ,"sehr unterschiedlichen Regionen" bestehe und dass es "sehr wichtig" sei, allen Regionen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Verpackt in ein Lob für den Präsidenten, der seit seiner Wahl Ende Mai in dieser Hinsicht schon vieles versucht hat, wendet sich Merkel mit diesem - im Ton freundlichen, politisch gleichwohl klaren - Hinweis vor allem an jene Mitglieder der ukrainischen Regierung, die keineswegs so verbindlich darum bemüht sind, sich auch um die russisch-sprachigen Menschen im Süden und Osten zu kümmern.

Merkel weiß: Poroschenko steht unter Druck

Gemeint sind jene Hunderttausende Menschen, die sich nicht den Separatisten angeschlossen haben, aber gleichwohl unzufrieden sind mit der Zentrale in Kiew. Echte Stabilität und sichere Zukunft, das sagt Merkel zwischen den Zeilen, wird es ohne mehr Hilfen und Verständnis und Dezentralisierung nicht geben.

Dabei weiß Merkel, dass Poroschenko aus vielen Richtungen unter Druck steht. Denn der Krieg im Osten schafft ihm nicht nur dort große Probleme. Längst wächst im Westen des Landes der Unmut darüber, dass Poroschenko sich um die Interessen der Menschen in den pro-europäischen Regionen vermeintlich zu wenig kümmert. Das könnte Poroschenko gerade dort das Handeln erschweren, wo er möglicherweise schon sehr bald mehr Handlungsfreiheit bräuchte.

Denn bei den für 25. und 26. August im weißrussischen Minsk geplanten Gesprächen mit den Staatschefs der so genannten und von Russlands Präsident Wladimir Putin vorangetriebenen Eurasischen Union wird es mit Sicherheit auch um das Assoziierungsabkommen und das geplante Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union gehen.

Merkel und Poroschenko wären gern optimistischer

Und nach dem Willen von Poroschenko und Merkel gibt es durchaus die Bereitschaft, diese so zu gestalten, dass die Vereinbarungen mit der EU keine ,"unnötigen Friktionen mit Russland" provozieren, wie Merkel in Kiew betont. Mit anderen Worten: Die EU, Berlin, Kiew - sie alle denken längst darüber nach, ob die Gespräche von Minsk die Chance bieten, durch Kompromisssignale im Umgang mit Putins Zollunion Fortschritte auch im schweren Konflikt in der Ostukraine möglich machen könnte. "Wir wollen alles tun, um unterstützend zu wirken", so Merkel an Poroschenkos Seite, "damit in Minsk Fortschritte erzielt werden können."

Diese Hoffnung wird, so scheint es, immer größer, je erschöpfender das Hin und Her ist beim Blick auf die vielen gescheiterten Bemühungen, endlich einen Waffenstillstand zu erzielen. Merkel wie Poroschenko ist anzumerken, wie sie gerne optimistischer wären und nach dem Konflikt um die russische Kolonne wieder sehr ernüchtert wirken. Immerhin, so hieß es in Merkels Delegation, gebe es die Kontaktgruppe mit russischen und ukrainischen Vertretern, das Engagement der OSZE, die sich dauernd um Vermittlung auf allen Ebenen bemühe. Und dazu das Gefühl, dass eigentlich eine Lösung doch ziemlich einfach sein könnte. Poroschenko jedenfalls sagt fast zum Abschied, Frieden könne aus seiner Sicht "ganz schnell kommen". Er meinte: das kann schnell gehen, wenn Moskau nur wollen würde.

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