Merkel in Indien:Eine Schnellspur für die deutsche Wirtschaft

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Kanzlerin Angela Merkel und Indiens Premier Narendra Modi wollen deutschen Firmen den Zugang zum Subkontinent erleichtern. (Foto: Roberto Schmidt/AFP)

Indien sucht Hilfe für den Ausbau der Infrastruktur, doch Firmen beklagen die indische Bürokratie. Merkel und Premier Modi schaffen nun bessere Bedingungen.

Von Stefan Braun, Bangalore

Indiens Premier Narendra Modi will bei der Modernisierung seines Landes im großen Stil deutsches Knowhow nutzen. Insbesondere die Infrastruktur des Subkontinents wie Straßen, Schienennetze und Bahnhöfe möchte er mithilfe deutscher Unternehmen ausbauen. Das sagte Modi in Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die deutsche Regierungschefin ist für zwei Tage in das Land gekommen. Nach einer Visite in der Hauptstadt Delhi besuchte sie am Dienstag die IT-Metropole Bangalore. Auf einer Wirtschaftskonferenz dort betonte Premierminister Modi, Indien habe größtes Interesse, mit Deutschland zu kooperieren. Allerdings reichten die finanziellen Ressourcen seines Landes nicht aus, um den Umbau alleine zu schultern. Umso wichtiger sei es, dass sich auch deutsche Unternehmen in Indien engagierten. ,,Nie zuvor war Indien so bereit, Investitionen und Technologie von außen aufzunehmen'', so Modi.

Ein Milliarden-Kredit der KfW soll den Ausbau der Solarenergie in Indien vorantreiben

Bislang stehen deutsche Unternehmen bei den Modernisierungsplänen des Landes in großer Konkurrenz zu Unternehmen aus den USA, Japan und Frankreich. Nach Berichten von Teilnehmern sagte Modi im Gespräch mit Merkel aber zu, dass die deutsche Wirtschaft auch dann groß zum Zuge kommen werde, wenn Firmen anderer Staaten beteiligt würden. Allerdings beklagen vor allem deutsche Unternehmen bislang zwei schwere Hemmnisse, die ein größeres Engagement immer wieder verhindern. Dazu zählen nach wie vor eine überbordende indische Bürokratie und fehlende Finanzierungshilfen und Kreditabsicherungen, wie sie andere Regierungen ihren Unternehmen bei einem Engagement in Indien offenbar gewähren.

Merkel und Modi vereinbarten nun ein sogenanntes Fast-Track-Abkommen. Es soll garantieren, dass für deutsche Investoren künftig Genehmigungsverfahren beschleunigt und bürokratische Hürden bei Lizenzen und anderen Fragen umschifft werden. Mindestens ebenso wichtig dürfte es aber sein, dass Indien zugesagt hat, Investitionen nicht mehr im Nachhinein durch rückwirkende Steuererhöhungen und andere Maßnahmen zu belasten. Außerdem versprach Modi, dass künftig in bestimmten Bereichen wie der Infrastruktur deutsche Unternehmen nicht mehr zu Beteiligungen gezwungen werden, sondern auch zu 100 Prozent Anteile erwerben können. Die Bundesregierung ihrerseits will prüfen, ob sie die Möglichkeiten für Kreditabsicherungen beispielsweise durch die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) weiter verbessert. Diesen Wunsch trugen deutsche Unternehmer während der Visite in Indien immer wieder vor.

In Bangalore versprach Merkel zudem, Berlin werde genau ansehen, wie man die Bedingungen auch für deutsche Finanzinvestoren günstiger gestalten könne. Nachdem die Geschäfte mit Russland durch die Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts schlechter laufen und die chinesische Wirtschaft zuletzt ins Stottern geriet, setzen deutsche Unternehmen große Hoffnungen auf Indien, auch wenn Modi seine mächtigen Ankündigungen aus der Zeit kurz nach seinem Amtsantritt 2014 inzwischen deutlich leiser vorträgt.

Indien ist ein wichtiger Markt, in wenigen Jahren wird das Land China als Land mit der größten Bevölkerung abgelöst haben. Zuletzt lag das Handelsvolumen bei 16 Milliarden Euro. Merkel betonte, Ziel sei es, das noch deutlich zu steigern. Sie verwies darauf, dass in den ersten sieben Monaten dieses Jahres die deutschen Exporte nach Indien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent gestiegen sind. Die direkten deutschen Investitionen beliefen sich zuletzt auf gut acht Milliarden Euro, mehr als 1600 deutsche Unternehmen sind in Indien vertreten. Indiens Volkswirtschaft ist die zehnt größte der Welt. Gleichzeitig müssen noch immer 75 Prozent der gut 1,2 Milliarden Inder mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen.

Begleitet wurde die Kanzlerin von zahlreichen deutschen Unternehmensvertretern, darunter Siemens-Chef Joe Kaeser, dem Vorstandsvorsitzenden von Airbus, Thomas Enders, oder auch Post-Chef Frank Appel. Größere Verträge über neue Projekte wurden jedoch nicht abgeschlossen. Unterzeichnet wurden Pläne, beim Ausbau erneuerbarer Energien, beim Katastrophenschutz oder auch bei der Berufsbildung enger zusammenzuarbeiten. Das aber ist bislang nicht viel mehr als ein Hinweis auf den guten Willen.

Um die Bedingungen weiter zu verbessern, setzt die Bundesregierung auch darauf, dass die zuletzt gestoppten Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien wieder in Gang kommen. Merkel warb eindringlich dafür und mahnte Modi, man müsse im Interesse aller die zuletzt aufgetretenen Probleme beim Verbraucherschutz schnell lösen. Hintergrund ist ein Konflikt zwischen der EU-Kommission und indischen Pharmaunternehmen, die bei Generika nicht die von der EU geforderten Prüfverfahren angewandt hatten.

Indien ist nicht nur ein spannender Markt, sondern nach wie vor auch größter Einzelempfänger deutscher Entwicklungshilfe. Nach den jüngsten Regierungsverhandlungen gibt Deutschland Indien im Jahr 2015 gut 1,5 Milliarden Euro. Geld, das vor allem den Ausbau erneuerbarer Energien fördern soll. In die gleiche Richtung zielt ein Kreditprogramm der KfW von bis zu einer Milliarde Euro mit einer Laufzeit von 2016 bis 2020. Damit soll vor allem die Solartechnik mit einem Solar-Dach-Programm gefördert werden. Bislang stillt Indien seinen Hunger nach Energie zu einem großen Teil mit Kohle. Knapp sechzig Prozent des Stroms wird mit ihr produziert. Diesen Anteil wollen die Inder und die Deutschen senken. Zumal nur dann Indiens Zusagen vor der bevorstehenden Weltklimakonferenz eine realistische Grundlage haben.

Merkel führte nicht nur mehrere Gespräche mit Modi, sie traf auch einige Frauenrechtlerinnen, darunter die Schriftstellerin und Globalisierungskritikerin Arundhati Roy. Was Roy der Kanzlerin empfahl oder von ihr forderte, erfuhr man bis zur Abreise nicht. Auf eine entsprechende Frage mochte sie keine Antwort geben.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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