Merkel empfängt Netanjahu:"Offene Gespräche unter Freunden"

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Zugeständnisse in der Siedlungsfrage kann Merkel von Netanjahu nicht erwarten. (Foto: dpa)

Eher hart als herzlich: Bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen bemühen sich beide Seiten um zur Schau gestellte Harmonie. Doch es gibt Grund zur Annahme, dass Merkel an Israels Premier Netanjahu auch deutliche Worte richten wird.

Von Daniel Brössler, Berlin

Diplomaten nennen das einen "stimmungsvollen Empfang", was die Gäste aus Israel am Mittwochabend in Berlin erwartet. Im Kamin der Villa Borsig wird ein Feuer brennen, für Speis und Trank, koscher wie nichtkoscher, wird gesorgt sein. Schüler der Jüdischen Oberschule Berlin werden Lieder singen passend zur Weihnachtszeit und zu Chanukka, dem jüdischen Lichterfest. Für den Vorabend der vierten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen bittet Außenminister Guido Westerwelle in sein Gästehaus am Tegeler See. Etwa 80 Gäste, unter ihnen die sieben Minister aus der Delegation von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sind geladen. Ziel sei, wird im Auswärtigen Amt erläutert, "atmosphärisch einen positiven Akzent zu setzen, welcher der engen Partnerschaft unserer Länder entspricht".

Tatsächlich könnten die deutsch-israelischen Beziehungen so etwas wie einen positiven Akzent gebrauchen. Nach der deutschen Enthaltung bei der UN-Abstimmung über einen palästinensischen Staat und der israelischen Ankündigung des Baus von 3000 neuen Siedlerwohnungen sind sie an einem Tiefpunkt angelangt.

Sein Land sei überrascht gewesen über die deutsche Enthaltung, bekannte der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Tatsächlich hatte die israelische Regierung offenbar geglaubt, Deutschland werde bei der Abstimmung in New York zusammen mit Israel, den USA und Kanada sowie sechs weiteren Staaten gegen die Aufwertung des Status von Palästina stimmen.

Netanjahu lobt Nein-Sager

"Die Geschichte wird positiv über die Länder urteilen, die sich dieses Mal an die Seite der Wahrheit, an die Seite des Friedens und an die Seite Israels gestellt haben", lobte Netanjahu die neun Nein-Sager, zu denen als einziger EU-Staat auch Tschechien gehört. Kurzfristig entschied er, auf dem Weg nach Berlin einen Abstecher nach Prag zu machen - um dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Necas, wie er ihm telefonisch mitteilte, für die "langfristige konsistente Haltung im nahöstlichen Friedensprozess zu danken". Und Deutschland? Das zeige, so kommentierte es die Jerusalem Post, einen "Mangel an Konsistenz".

Jenes Maß an beständiger Unterstützung, das sich Netanjahus Rechts-Regierung aus Berlin wünschen würde, ist aus Sicht der Bundesregierung aber beim besten Willen nicht mehr zu erbringen. Kanzlerin Angela Merkel hatte vor der UN-Abstimmung ausrichten lassen, dass ein deutsches Nein nur in Frage komme, falls Israel zu einem Einfrieren der Siedlungstätigkeit bereit sei. Im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt ahnte man da schon, dass die Israelis genau das Gegenteil planten. Die Bauankündigung löste dann trotzdem Entsetzen aus. Zwar wurde in Berlin anders als in Paris und in London nicht der israelische Botschafter einbestellt. Es ist aber nicht so, als sei über diese Möglichkeit zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt gar nicht gesprochen worden.

Man beließ es schließlich bei einer Äußerung des Regierungssprechers, die aber fiel scharf aus. "Israel untergräbt damit das Vertrauen in seine Verhandlungsbereitschaft", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert zu den Bauplänen. Es schwinde "auch weiter der geografische Raum für einen zukünftigen Palästinenserstaat, der ja die grundlegende Voraussetzung für eine Zwei-Staaten-Lösung sein müsste".

Mit Zugeständnissen wird nicht gerechnet

Es gibt Grund zur Annahme, dass Angela Merkel an diesem Mittwoch während des Abendessens mit Benjamin Netanjahu im Kanzleramt noch deutlicher werden wird. Während nämlich die Minister am Tegeler See versuchen sollen, in Stimmung zu kommen, trifft die Kanzlerin den Ministerpräsidenten im kleinen Kreis. Was in der Diktion des Regierungssprechers unter die Rubrik "offene Gespräche unter Freunden" fällt, kann zwischen beiden auch schon mal eher hart als herzlich ausfallen. Mit irgendwelchen Zugeständnissen des Israelis in der Siedlungsfrage wird nicht gerechnet.

Das Interesse Netanjahus dürfte vor allem darin bestehen, angesichts der israelischen Parlamentswahlen im Januar zu demonstrieren, dass seine Regierung international keineswegs vollständig isoliert ist. Merkel wiederum steht vor einem Dilemma. Sie hält Netanjahus Siedlungspolitik für grundfalsch und hat das auch bei früheren Regierungskonsultationen schon gesagt.

Einerseits wird sie dies erneut deutlich machen wollen, anderseits will sie auch keine Zweifel säen an der besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel, die sie stets noch deutlicher betont hat als ihre Vorgänger. "Die Sicherheit Israels ist Teil der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind nicht neutral", hat sie erst vor einer Woche bei der Verleihung des Heinz-Galinski-Preises wiederholt. Und in ihrer allwöchentlichen Videobotschaft gelobte sie am Samstag, wenn es um die Sicherheit gehe, werde "Deutschland immer an der Seite Israels stehen".

Israel darf "sich nicht völlig isolieren"

Die israelische Seite weiß sehr gut, was damit gemeint ist. Deutschland liefert traditionell wichtige Rüstungsgüter nach Israel, etwa U-Boote der Dolphin-Klasse. Bis zum Jahr 2017 sollen es sechs sein. Nach einem Bericht des Handelsblatts soll der Bundessicherheitsrat in den vergangenen Monaten die Lieferung von Funk-und Aufklärungstechnik, aber auch vermehrt Waffensysteme für die Landkriegsführung genehmigt haben. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, fürchtet deshalb eine "neue Qualität der Lieferpraxis". Seine Sorge sei, dass deutsche Rüstungsgüter "in einem Konflikt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften zur Anwendung kommen könnten".

Auch Mützenich aber hält es für richtig, das Gespräch mit Netanjahu nicht abreißen zu lassen. "Man muss darauf achten, dass Israel sich jetzt nicht völlig isoliert", sagt er. Merkel sieht das ähnlich, will aber auch die Botschaft senden, dass die Beziehungen zu Israel nicht gleichzusetzen sind mit jenen zur derzeitigen Regierung. Zusammen mit Netanjahu wird sie sich am Donnerstagmorgen von deutschen und israelischen Wissenschaftlern über gemeinsame Forschungsprojekte unterrichten lassen. "Israel ist ein Land mit einem bemerkenswerten wissenschaftlich-technischen Niveau in vielen Bereichen", lobte die Kanzlerin in ihrer Videobotschaft vor Fahnen beider Länder. Man wolle reden über die "breite Zusammenarbeit in all den Fragen, die innenpolitisch für jedes unserer Länder von großer Bedeutung sind". Soll heißen: Es soll nicht nur, aber eben auch ein wenig harmonisch werden.

© SZ vom 05.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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