Merkel-Besuch in Athen:Die Griechen-Versteherin

Angela Merkel Visits Athens As Greek Bonds Go Back On Sale

Deutsch-griechische Annährung: Kanzlerin Angela Merkel besucht Ministerpräsident Antonis Samaras in Athen

(Foto: Getty Images)

Bei ihrem Besuch in Athen zeigt Angela Merkel Respekt und Mitgefühl für das von der Krise gebeutelte Land. Zugleich nützt die deutsche Kanzlerin Premier Samaras im Wahlkampf - was zeigt, wie viel sich derzeit ändert.

Von Nico Fried

Meistens kommt ein Protokollbeamter, manchmal ein Minister. In Griechenland aber kommt stets der Chef persönlich. Um 14.33 Uhr begrüßt Ministerpräsident Antonis Samaras am Freitag auf dem Flughafen von Athen die Kanzlerin. Dann braust er mit Angela Merkel in einer schwarzen Limousine über die freigesperrte und von Hunderten Polizisten bewachte Autobahn in die Innenstadt.

Der Ausflug des Premiers zum Flughafen ist eine für Staatsbesuche ungewöhnliche Willkommenskultur. Samaras könnte in dieser Zeit ja ein Mittagschläfchen machen, nur so als Beispiel. Doch wie es aussieht, möchte der Premier die kurze Zeit des Besuches ausnützen. Er wird mit Merkel gleich im Auto reden, mit ihr Wirtschaftsvertreter treffen und später in seinem Büro und dann während eines Abendessens in einem Restaurant nahe der Akropolis weiter mit der Kanzlerin diskutieren. Da kommen ein paar Stunden zusammen.

Andererseits ist es ja auch schon 18 Monate her, dass Merkel hier war. 18 Monate, in denen sich viel verändert hat. Damals, im Oktober 2012, erschien sogar ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum denkbar. Zumindest der CSU. Und die Reformen in Griechenland kamen nur sehr schleppend voran. Es war der Höhepunkt jener Krise, von der manche jetzt plötzlich glauben, sie sei vorbei.

Damals hatte Samaras Merkel auch am Flughafen abgeholt. In der Innenstadt protestierten Zehntausende gegen die Kanzlerin. Diesmal ist am Tag vor Merkels Besuch eine Autobombe explodiert, unweit eines Büros des Internationalen Währungsfonds, der mit EU-Kommission und Europäischer Zentralbank die Troika bildet.

Am Tag von Merkels Besuch werden wieder Kundgebungen erwartet - aber deutlich weniger Demonstranten als 2012. Vor jungen Existenzgründern, die sie mit Samaras zu einer Diskussion trifft, erlaubt sich Merkel sogar einen Scherz über ihren Ruf als Hassfigur: Die jungen Leute sollten ihr ruhig sagen, wenn sie sich am Abend nicht mehr nach Hause trauten, weil sie mit der deutschen Kanzlerin diskutiert haben.

Am Donnerstag hat Griechenland zum ersten Mal seit vier Jahren wieder Staatsanleihen auf dem Kapitalmarkt platziert. Merkel sieht darin weder das Ende der Krise noch eine Provokation der Griechen, um die mit den Hilfen der Troika verbundenen Auflagen zu unterwandern. Aus ihrer Sicht ist es für Griechenland weniger wichtig, wie der Staat an Geld kommt, sondern wie sich die Wirtschaft finanzieren kann, die noch unter einer harten Kreditklemme leidet.

Merkel erzählt von ihrem Wahlkreis in Ostdeutschland

Der Ansturm internationaler Investoren auf die Staatsanleihen ist für Merkel ein Zeichen, dass dem Land wieder etwas zugetraut wird. Das war vor 18 Monaten nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

In der griechischen Regierung ist der Optimismus demonstrativ noch größer. Nachdem die Staatsanleihen drei Milliarden Euro zu einem erstaunlich niedrigen Zinssatz brachten, sei Griechenland wieder ein normales europäisches Land, sagte der Wirtschaftsminister vor Merkels Besuch. Aber es ist eben auch ein gespaltenes Land. Das sagt die Arbeitslosenquote von 28 Prozent. Das sagen Umfragen für die Europawahl, in denen die Konservativen von Premier Samaras gleichauf liegen mit der Radikalopposition Syriza von Alexis Tsipras, die den Reformkurs und die Sparauflagen strikt ablehnt. Und Angela Merkel sowieso.

Der Besuch der Kanzlerin ist deshalb auch ein Signal zur Unterstützung von Samaras - nicht nur mit Blick auf den Wahlkampf, sondern auch angesichts seiner auf eine Stimme zusammengeschrumpften Mehrheit im Parlament. Diese Solidarität ist bemerkenswert, denn in den ersten Jahren der Krise galt Samaras, der dem damaligen sozialistischen Regierungschef Giorgos Papandreou Steine in den Weg legte, als Teil des Problems und nicht der Lösung. Umgekehrt gab es freilich auch Zeiten, in denen es unvorstellbar gewesen wäre, dass eine griechische Partei einen Besuch der deutschen Kanzlerin im Wahlkampf als werbewirksam betrachtet hätte.

Merkel spricht von Mal zu Mal freundlicher über Samaras. Anfangs überwogen Skepsis und Distanz, die über die Jahre der Anerkennung dafür wichen, dass der Premier die Reformpolitik durchsetzte. Inzwischen zeigt die Kanzlerin Verständnis über Samaras' Verdruss, dass manche Fortschritte der Griechen kaum gewürdigt, die Defizite aber lautstark benannt werden. Wenn Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist, woran Merkel als selbsternannte Schülerin Ludwig Erhards glaubt, kann schlechte Stimmung nicht förderlich sein.

Im Oktober 2012, bei ihrem ersten Besuch inmitten der Krise, war es für Merkel besonders wichtig, den Griechen Mitgefühl zu zeigen. Sie wisse, sagte sie damals, dass die Reformen den Menschen "viel abverlangen". Auch diesmal taucht die Anteilnahme wieder auf, in Nebensätzen. Vor den jungen Unternehmern sagt die Kanzlerin, sie habe sich ein Treffen mit Existenzgründern gewünscht, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Sie glaube "ganz fest, dass nach einer sehr, sehr schwierigen Phase, die noch anhält für viele Menschen, nun auch etwas aufgebaut werden kann".

Dann erzählt sie aus ihrem Wahlkreis im Osten Deutschlands, wo nach der Wende auch viele Menschen geglaubt hätten, sie würden nicht mehr gebraucht. Deshalb habe sie "eine Vorstellung" von den Veränderungen, denen viele Griechen ausgesetzt seien. Auch wenn es vor allem den von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen schwer falle, das zu sehen, so Merkels Halbsatz zum Mitgefühl an dieser Stelle, glaube sie daran, dass Griechenland nun "mehr Chancen offen stehen als sich Schwierigkeiten ergeben werden".

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