Merkel bei Obama:Einig gegen Putin, geduldig bei der NSA-Affäre

U.S. President Obama and German Chancellor Merkel address joint news conference in the White House Rose Garden in Washington

US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel im Rosengarten des Weißen Hauses.

(Foto: REUTERS)

Für die Kameras plaudern Merkel und Obama. Hinter den Kulissen ist der Besuch der Kanzlerin beim US-Präsidenten weniger entspannt.

Von Nico Fried, Washington

Um 9.43 Uhr fährt Angela Merkel auf das Gelände des Weißen Hauses, durchs Tor, rechts rein, zum Westflügel. Eine Minute später verlässt der Scharfschütze am nördlichen Zaun gelassen seinen Platz im Gebüsch - die Kanzlerin ist offenbar gut angekommen.

Als die Presse zu Beginn des Treffens von Merkel und Barack Obama einen kurzen Blick ins Oval Office werfen darf, sind die Wassergläser mit der Pappabdeckung noch unberührt, der Präsident trinkt Tee mit Milch. Man plaudert locker. Doch so entspannt wird das Gespräch nicht bleiben.

Sie wirken freundlich miteinander

Es ist ein Besuch in, wie Obama später sagen wird, "anspruchsvollen Zeiten". Die Lage in der Ukraine zwingt Obama und Merkel zur Zusammenarbeit, obwohl es auch im bilateralen Verhältnis seit der NSA-Affäre noch einiges zu klären gäbe. Doch der Konflikt im Osten der Ukraine eskaliert, vier Bundeswehrsoldaten und ihre Kollegen aus Polen, Dänemark und Tschechien sind weiter in der Hand von prorussischen Separatisten. Welchen Einfluss Russlands Präsident Wladimir Putin dort hat, ist eine der Fragen, über die sich Obama und Merkel an diesem Freitag beugen müssen. Aber auch die Übergangsregierung in Kiew, die an dem einen Tag beklagt, sie habe den Einfluss im Osten verloren, und am nächsten ihre Truppen in den Angriff schickt, ist alles andere als ein einfacher Partner.

Es ist schon zwölf Uhr mittags, als Merkel und Obama im Rose Garden vor die Presse treten. Strahlend blauer Himmel, leichter Wind. Alle paar Minuten rauscht ein Flugzeug vom Reagan National Airport quasi am Grundstück vorbei. Auch die Zeit mit der Kanzlerin muss dem Präsidenten wie im Fluge vergangen sein, denn er begrüßt die Journalisten noch immer mit einem "Guten Morgen, alle zusammen".

Merkel und Obama wirken freundlich miteinander, aber ernst in der Sache. Die meiste Zeit habe man über die Ukraine gesprochen, sagt der Präsident. Die Botschaft ist klar: Beide sehen nun den 25. Mai als eine wichtige Schwelle. An diesem Tag sind in der Ukraine Präsidentschaftswahlen geplant - doch es ist mehr als ungewiss, ob sie überhaupt stattfinden können. Russland müsse helfen, die Lage zu stabilisieren, sagt Obama, anderenfalls habe man vielfältige Möglichkeiten für weitere Sanktionen. Und auch Merkel sagt: Wenn die Vorbereitung der Wahlen in den nächsten Wochen "nicht möglich wird, werden weitere Sanktionen unvermeidbar sein".

Obama würdigt Merkels Bemühungen in Ukraine-Krise

Merkel hatte vor ihrer Abreise am Donnerstag noch einmal mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert. Alle sieben bis zehn Tage haben die beiden seit Beginn der Krise miteinander gesprochen. Obwohl sich Putin nicht an alle Zusagen gehalten hat, die er zumindest nach deutscher Darstellung in diesen Gesprächen gegeben hatte, will Merkel den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Und Putin auch nicht.

Obama würdigt Merkel für ihre Bemühungen in der EU und im Kontakt mit Russland. Zugleich aber macht er deutlich, dass sich die USA von Putin getäuscht fühlen. Noch vor vier Wochen habe er zum Beispiel gesagt, es seien keine russischen Soldaten auf der Krim aktiv gewesen, mittlerweile habe er das Gegenteil zugegeben. Und die pro-russischen Aktivisten im Osten der Ukraine seien keine friedlichen Demonstranten, sondern schwer bewaffnete Separatisten. Die Ungeduld mit Russland ist in den USA größer als in Deutschland.

Fokus nicht nur auf Sanktionen

Und auch die Ungeduld mit den zögerlichen Partnern in Europa. Schon als die Kanzlerin am Donnerstagabend Senatoren von Demokraten und Republikanern zum Meinungsaustausch traf, musste sie darauf hinweisen, dass in der EU, anders als in den USA, am Ende 28 Regierungen einig sein müssten. Und das dauert eben seine Zeit. Andererseits ist es Merkel und Obama wichtig, den Fokus nicht alleine auf Sanktionen zu legen. Vom Beginn der Krise an, so betont Obama, habe er auf die berechtigten Interessen Russlands in seiner Nachbarschaft hingewiesen. "Die haben wir zu berücksichtigen." Wenn Russland Vorschläge mache, wie die Ukrainer über ihre Zukunft entscheiden könnten, sei das willkommen. Diese Vorschläge dürften jedoch nicht von Waffengewalt begleitet oder von Soldaten vorgetragen werden, die Gebäude besetzten, Journalisten einschüchterten oder Hubschrauber abschössen.

Beim zweiten großen Thema zwischen den USA und Deutschland hatte man in Berlin schon vorab die Erwartungen sehr flach gehalten. In der NSA-Affäre besteht Merkel auf einer verbindlichen Zusage, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten werde. Sie findet, dass es unter Freunden nicht nötig sei, Regierungen, Parlamente oder andere Institutionen abzuhören. Das möchte sie gerne schriftlich haben, auch wenn sie weiß, dass das eine Illusion ist. Denn die USA lehnen ein No-Spy-Abkommen mit dem Einwand ab, dass sie ein solches Abkommen auch mit keinem anderen Staat haben.

Vertrauen? Gutes Stichwort

Gleichwohl legt Obama eine kleine Portion Reue in seine Äußerungen: Es habe ihn "geschmerzt", den Schaden zu sehen, den die Berichte über die Aktivitäten der NSA in Deutschland verursacht hätten. Doch konkret folgt daraus wenig für den US-Präsidenten. Er zeigt sich nur wiederholt zum Gespräch bereit. Die Deutschen sollten nicht daran zweifeln, dass die Amerikaner das Thema ernst nehmen. Immerhin stehe der Schutz der Privatsphäre in der US-Verfassung. "Wir wissen ein bisschen was darüber, wie man sie beschützt", sagt der Präsident. Er sei sicher, wenn er das Amt verlasse, werde man Regeln haben in den USA und mit den Partnern. "Wir wollen mit Deutschland so eng zusammenarbeiten", sagt der Präsident, "dass die Bürger Vertrauen in das haben können, was wir tun." Vertrauen? Gutes Stichwort.

Mit einiger Verwunderung ist in Berlin zur Kenntnis genommen worden, dass Frankreichs Präsident François Hollande schon vor einigen Wochen bei seinem Besuch in den USA konstatierte, das Vertrauen zu den Amerikanern sei wiederhergestellt. Als Merkel in Washington gefragt wird, ob das auch im Verhältnis Deutschlands zu den Vereinigten Staaten gelte, zeigt sich die Kanzlerin wenig generös. Man habe noch "einige Schwierigkeiten zu überwinden" und werde nicht so bald zur Tagesordnung übergehen können. So besteht auch nach dem Besuch in diesem Punkt Einigkeit darüber, sich nicht einig zu sein.

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