Merkel bei Obama:Angelas kleine Anekdote

Bei ihrem Besuch in den USA parliert Bundeskanzlerin Merkel über das europäisch-amerikanische Verhältnis und gibt eine ganz persönliche Geschichte zum Besten.

Reymer Klüver, Washington

Es ist eine kleine persönliche Geschichte am Rande, die am Ende vielleicht am ehesten in Erinnerung bleiben wird von der Rede, die Deutschlands Kanzlerin am Vorabend ihres ersten Besuchs bei Barack Obama im Weißen Haus hielt.

Angela Merkel; AP

Die Kanzlerin im Library of Congress: "Mit Freuden" habe Angela Merkel gesehen, "wie Präsident Obama neue Türen aufstößt".

(Foto: Foto: AP)

In der Library of Congress, wahrlich nicht die schlechteste Adresse in Washington, erhielt sie die den Eric-M.-Warburg-Preis der Atlantik-Brücke, jener nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert alten deutsch-amerikanischen Stiftung, die sich um die transatlantische Freundschaft bemüht.

Eine verdiente Auszeichnung ist das, vor allem wenn man bedenkt, wie eisig das Verhältnis zwischen den Regierenden in Washington und Berlin bei ihrem Amtsantritt war und wie rasch es Merkel gelang, beim damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush den richtigen Ton zu treffen.

Sanft, aber nicht ungeschickt näherte sie ihn dem Kurs der Deutschen an. Bei Iran etwa, selbst in Sachen Klimaschutz gelang ihr das - zentimeterweise. An diesem Freitagmorgen nun trifft sie den neuen ersten Mann in Washington zum ersten Mal im Weißen Haus.

Politisch interessant dürfte zweierlei an der Rede gewesen sein. Erstens hat Angela Merkel nach all dem Geraune und Geplapper über die angeblich nicht stimmende Chemie mit dem neuen Mann im Weißen Haus betont alle Signale auf grün gestellt.

Beide sind ziemlich nüchtern eingestellte Jongleure der Macht: Persönliche Befindlichkeiten spielen eine eher untergeordnete Rolle, es geht ihnen um Interessen, die es zu vertreten und auszugleichen gilt.

Und deshalb ist Angela Merkel dezidiert bemüht, nach vorn zu schauen - und ihren Gastgeber zu loben: "Mit Freuden", so drückte sie sich in der Library of Congress aus, habe sie beobachtet, "wie Präsident Barack Obama neue Türen aufstößt".

Im Nahen Osten und in Afghanistan, beim Klimaschutz und bei der Suche nach einem neuen zukunftstauglichen Regelwerk für die Weltwirtschaft. (Und von allen inhaltlichen Fragen ganz abgesehen, werden die Amerikaner mit beifälligem Kopfnicken quittieren, dass sie selbst beim Vornamen des neuen Präsidenten sozusagen den richtigen Ton traf: Die Betonung liegt auf der zweiten Silbe, nicht der ersten.)

Zweitens sprach sie auffällig wenig vom deutsch-amerikanischen Verhältnis und viel mehr und ausführlicher über eine europäisch-amerikanische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert. "Ich darf Ihnen mitteilen", sagte sie nicht ohne selbstironischen Unterton, "dass wir verstanden haben, dass die Europäer in den entscheidenden Fragen mit einer Stimme sprechen müssen". Nur dann seien sie das, was die Amerikaner erwarten könnten: "ein verlässlicher Partner". Amerika und Europa müssten in Zukunft verstärkt gemeinsam auftreten. Als "Treiber" etwa, um die G-20 als Forum zu etablieren, auf dem "die Probleme der Welt" verhandelt werden müssten. Und überhaupt, um zu zeigen, dass die "Art, wie wir leben", weiter ein Modell sein könne für den Rest der Welt.

Und die persönliche Geschichte? Eigentlich, so erzählte Angela Merkel am Donnerstagabend, hatte sie sich das mit ihrer Reise nach Amerika bis vor 20 Jahren zumindest ganz anders vorgestellt, damals, als die Mauer noch stand: "Meine Lebensplanung sah immer so aus", plauderte die Kanzlerin, "dass ich am Tag, da ich Rentnerin werden würde (in der DDR wurden Frauen das mit 60) in die Bundesrepublik ausreisen und den DDR-Ausweis gegen einen guten deutschen Reisepass eintauschen und mich sofort aufmachen würde zu einer Reise nach Amerika."

Es ist dann doch ein bisschen schneller gegangen mit dem Satz über den großen Teich. Und ins Weiße Haus wird auch nicht jeder eingeladen.

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