Menschenrechts-Report:Gerechtigkeit als Utopie

Der neue Jahresbericht von Amnesty International, der am Mittwoch veröffentlicht wird, hat es wie immer in sich. Vor allem China und der Sudan haben sich durch viele Verstöße gegen die Menschenrechte hervorgetan. Aber auch Deutschland hat Amnesty zufolge keine blütenweiße Weste.

Andrian Kreye

Wenn der sudanesische Staatschef General Omar Hassan al-Bashir hohen Besuch empfängt, dann bittet er die Gäste gerne in sein turnhallengroßes Büro im Obergeschoss der "Halle der Freundschaft".

1976 errichtete die chinesische Regierung das Kongresszentrum am Zusammenfluss von blauem und weißem Nil. Doch was als Denkmal für Völkerfreundschaft gebaut wurde, ist nun zum Symbol für die neuen Probleme geworden, mit denen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International zu kämpfen haben.

Es sind längst nicht mehr die demokratischen Wirtschaftsmächte, die in Entwicklungsländern den Außenhandel dominieren. China, Russland und Indien drängen an die Spitze. Und für diese neuen "Global Players" sind Menschenrechte kein Thema.

Sudan blieb der brutalste Staat auf dem afrikanischen Kontinent

Nun gibt es im neuen Jahresbericht von Amnesty International, der am Mittwoch veröffentlicht wird, wie immer keine Rangfolgen und Wertungen. Nüchtern zählt man die Verstöße auf. Es reicht jedoch ein Blick in die Kapitel Sudan und China, um zu begreifen, dass sich hier über die jahrzehntelangen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Afrika und Asien eine fatale Allianz gebildet hat.

Nach wie vor ist der Sudan der brutalste Staat auf dem afrikanischen Kontinent. Außer dem Konflikt in der Provinz Darfur schwelt im Süden der Bürgerkrieg. In fast jeder Region kam es im Berichtsjahr 2006 zu Vertreibungen, Verfolgungen, Folterungen, Hinrichtungen.

Gleichzeitig nahmen in China die Repressalien gegen Dissidenten und Glaubensgemeinschaften zu. Mehrere Tausend Todesurteile wurden verhängt. Kein Wunder also, dass Aufrufe an die chinesische Regierung, den afrikanischen Handelspartner zur Einhaltung von Menschenrechten zu bringen, nichts bewirken.

Doch auch die Rolle der demokratischen Staaten, weltweit für die Menschenrechte zu kämpfen, ist schwieriger geworden. Seit den Anschlägen des 11. September 2001 beobachtet Amnesty International eine kontinuierliche Abwertung der Menschenrechtspolitik in Europa und Amerika.

Vor allem die Vereinigten Staaten haben dem Ansehen der Westmächte Schaden zugefügt. Völkerrechtswidrige Tötungen durch US-Truppen, Folter in Guantanamo, die außerordentliche Überstellung von Gefangenen an Drittländer mit Folterpraxis, sowie Massenfestnahmen in Afghanistan und im Irak werden beschrieben.

Auch in Deutschland steht nicht alles zum Besten

Dazu kommen Misshandlungen in Gefängnissen, sowie die Hinrichtung von 53 Häftlingen in den USA. Das habe einen schweren Verlust an Glaubwürdigkeit bewirkt. Vor allem in den Ländern Lateinamerikas beobachtet Amnesty International eine Abwendung von den USA.

Im Kapitel Deutschland wiegt am schwersten der Verdacht, Behörden hätten "im Zusammenhang mit dem von den USA geführten Krieg gegen den Terror ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen missachtet." Dazu gehört vor allem die Verwicklung bei den außerordentlichen Überstellungen.

Weiter wird die Flüchtlingspolitik bemängelt, durch die etwa 200.000 Menschen von Abschiebung bedroht seien. Auch Zahlen wird Amnesty International veröffentlichen. Die zeigen, wie schwierig die Arbeit der Menschenrechtsorganisation ist. So zählte man im vergangenen Jahr weltweit 1591 Hinrichtungen, 1010 davon in China. Die Dunkelziffer liegt jedoch alleine dort bei 8000 vollstreckten Todesurteilen.

Amnesty gibt unumwunden zu, dass es immer schwieriger wird, Menschenrechte zu garantieren. So aber wird Gerechtigkeit zur Utopie.

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