Menschenhandel:Sklaven in Deutschland

In Deutschland werden derzeit Schätzungen zufolge 30.000 Menschen als Sklaven ausgebeutet. Die Opfer: Vor allem Frauen, die als Prostituierte arbeiten müssen. Ein Pilotprojekt will helfen.

Johann Osel

Als Lucia G. (Name geändert) beschloss, nach ihrer Au-pair-Zeit illegal weiter in Deutschland zu bleiben, begab sie sich in die Falle. Ihre Gastfamilie beutete die Südamerikanerin gnadenlos aus, rund um die Uhr musste die junge Frau für Hausarbeit zur Verfügung stehen, als Lohn gab es praktisch nichts.

Das Druckmittel der Familie: Lucias Status der Illegalität. Über eine Migrantenberatung gelang ihr aber der Ausbruch, über eine außergerichtliche Einigung - eine Anzeige hätte zur Abschiebung geführt - setzte sie sogar eine Entschädigung für ihre Sklavendienste durch.

Doch wer hilft in solchen Fällen? Und wer bezahlt den Anwalt? Ein Pilotprojekt des Deutschen Instituts für Menschenrechte und der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" möchte diese Lücke füllen.

"In Deutschland werden Opfer von Menschenhandel vor allem als Zeugen gegen die Täter gehört. Eigene Ansprüche kommen in der gerichtlichen Praxis kaum vor", sagt Organisator Heiner Bielefeldt. Mit 600.000 Euro Fördersumme, verteilt auf drei Jahre, soll fortan Menschen, die in Deutschland zur Arbeit gezwungen wurden, bei der Durchsetzung finanzieller Ansprüche geholfen werden.

Dem Projekt liegt eine Studie des Instituts zugrunde. Zuverlässige Angaben über die Zahl der Ausgebeuteten gibt es jedoch nicht. Das BKA ermittelt jährlich in knapp 700 Fällen von Zwangsprostitution, die Dunkelziffer - nicht nur im Sexgewerbe - dürfte aber um ein Vielfaches höher sein.

Schätzungen gehen von aktuell 30.000 Sklaven in Deutschland aus, überwiegend Frauen. Eine Mehrheit arbeite demnach als Prostituierte, es gebe aber auch viele Haushaltshilfen oder Hilfsarbeiter, ein Großteil davon aus Osteuropa. Wegen psychischen Drucks, Sprachbarrieren, Geldmangel und Angst vor Ausweisung ist kaum ein Opfer allein in der Lage, Ansprüche bei Behörden oder Gerichten zu erstreiten, heißt es. Auch die Erfolgsquote bei Entschädigungen sei gering. Bei Verfahren wegen sexueller Ausbeutung seien bisher höchstens ein Drittel der Betroffenen finanziell abgefunden worden, oft nur mit Summen um die 1000 Euro.

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