Memoiren von Donald Rumsfeld:Im Ton vergriffen

Donald Rumsfeld bedauert seine abfällige Bemerkung über das "alte Europa". Er räumt zwar Fehler im Detail und Stil ein. Fundamentale Irrtümer kann er jedoch nicht ausmachen. Unerschüttlich ist sein Glaube, dass die US-Invasion im Irak den Nahen Osten sicher gemacht habe.

Christian Wernicke

Vier Jahre lang hat er geschwiegen. Und geschrieben. Auf voluminöse Erinnerungen von mehr als 800 Seiten hat es Donald Rumsfeld gebracht, und darin präsentiert sich dieser wegen seines galligen Humors stets gefürchtete Machtmensch selbstbewusst wie eh und je: Als Meister der Verteidigung in eigener Sache räumt der frühere Pentagon-Chef zwar hier und da Fehler im Detail und im Stil ein. Fundamentale Irrtümer jedoch mag der 78-jährige Republikaner in seinem Tun nirgends ausmachen. Weder in Bagdad noch in Guantanamo.

Senatsbericht: Rumsfeld mitverantwortlich für Abu Ghoreib

Der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat seine Memoiren geschrieben. Einsicht zeigt er nicht. Lediglich im Ton habe er sich bisweilen vergriffen.

(Foto: dpa)

Unerschütterlich ist etwa Rumsfelds Glaube, dass die US-Invasion im Irak den Nahen Osten sicher gemacht habe. Mit Saddam Hussein an der Macht wäre die Region "weitaus gefährlicher, als sie heute ist", schreibt er. Kategorisch widerspricht er der (in Washington längst herrschenden) Kriegslehre, er habe als Minister von 2003 bis 2006 seinen Generälen die nötigen Soldaten verweigert und so die US-Streitkräfte an den Rand einer Niederlage geführt. "Rückblickend gab es vielleicht Zeiten, in denen mehr Truppen hätten helfen können", gesteht Rumsfeld. Nur hätten weder Armee noch Marines ihn je um Verstärkung ersucht.

In jenen Jahren stand Rumsfeld in dem Ruf, er lenke die US-Operationen im Irak "mit dem langen Schraubenzieher aus Washington". In seinen Memoiren erklärt der 2006 aus dem Amt geschiedene Minister die militärischen Rückschläge mit einer anderen Metapher: Weil "zu viele Hände am Steuerrad" gezerrt hätten, sei "der Laster im Graben gelandet". Außenminister Colin Powell habe ständig hintertrieben, und die damalige Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice habe zu wenig koordiniert. Sogar den obersten Dienstherrn kritisiert Rummy ein wenig: George W. Bush habe "nicht immer darauf bestanden, vor einer Entscheidung rechtzeitig all seine Optionen zu erwägen". Soll heißen: Zu genau wollte dieser Präsident so manches nicht wissen.

Wirkliche Sensationen, so das einhellige Urteil der hastig verfassten Erst-Rezensionen, birgt Rumsfelds Schmöker nicht. Zu kaufen gibt es "Bekanntes und Unbekanntes" (Known and Unknown) von Dienstag nächster Woche an, auf seiner Website www.rumsfeld.com will der Ex-Minister dann auch zahlreiche Dokumente nachreichen - als Beweise für seine Geschichtsschreibung.

Rumsfeld, der Stratege, sieht allenfalls taktische Fehler. Der Bau des berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo sei zwar richtig gewesen, nur habe die Regierung dafür (auf Drängen von Vizepräsident Dick Cheney, Rumsfeld engstem Kumpel) zu wenig den Rückhalt des Kongresses gesucht. Und ja, bisweilen habe er sich im Ton vergriffen. Seine achselzuckelnde Lakonie ob der wilden Plünderungen in Bagdad ("Stuff happens") bedauert Rumsfeld ebenso wie seinen sarkastischen Ausfall gegenüber den widerspenstigen Deutschen und Franzosen: Sein Wort vom "alten Europa" würde er gern aus dem Protokoll streichen.

Aber mehr als alles andere revidieren möchte Rumsfeld zwei Entscheidungen aus dem Frühjahr 2004. Abscheuliche Fotos führten damals der Welt vor Augen, wie irakische Häftlinge im Gefängnis Abu Ghraib von US-Soldaten misshandelt wurden. Zweimal bot Rumsfeld in jenen Tagen seinen Rücktritt an, zweimal lehnte Präsident Bush ab. Fortan sei seine Person "eine schädliche Ablenkung" gewesen. "Bei allem Stolz auf die vielen wichtigen Dinge, die wir erreicht haben", schreibt Rumsfeld in historisch eigener Sache, "ich bedauere, dass ich an diesem Punkt nicht gegangen bin."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: