Meistgesuchter Terrorist der Welt erschossen:Bin Ladens Tötung: Liveschaltung in Obamas Büro

Am Freitag gab er den Befehl zum Einsatz - zwei Tage später verfolgt US-Präsident Obama die letzten Minuten des Terrorchefs per Sattelitenschaltung. Beim Zugriff des Einsatzkommandos der Navy Seals wehrt sich Osama bin Laden und benutzt offenbar eine seiner Frauen als menschliches Schutzschild.

Die USA bejubeln den Tod ihres Erzfeindes: Osama bin Laden, der Führer des Terrornetzwerkes al-Qaida, ist tot. US-Elitesoldaten erschossen den 54-jährigen Saudi in der Nacht zum Montag in seinem Versteck in Nordpakistan. Knapp zehn Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon, bei denen mehr als 3000 Menschen getötet wurden, verkündete Präsident Barack Obama: "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan." Vor dem Weißen Haus und am Ground Zero in Manhattan feierten spontan Tausende Amerikaner. Interpol warnte allerdings vor Racheakten der al-Qaida.

Newspaper front pages outside the Newseum show Osama bin Laden

"Osama bin Laden ist tot" - die Nachricht über den Erfolg des US-Kommandos löste Jubelstürme in den USA aus.

(Foto: dpa)

In einer nächtlichen Ansprache aus dem Weißen Haus nannte Obama den Tod Bin Ladens "den bisher bedeutendsten Erfolg im Kampf unserer Nation gegen al-Qaida". Er erinnerte an das Leid, das die Anschläge vom 11. September 2001 über das amerikanische Volk gebracht hätten. Obama betonte, er habe persönlich am Sonntag den Befehl zur Attacke auf Bin Ladens Versteck gegeben. Mit ernstem Blick und in feierlichem Ton erklärte Obama: "Heute Nacht kann ich dem amerikanischen Volk und der Welt mitteilen, dass die Vereinigten Staaten eine Operation durchgeführt haben, die Osama bin Laden tötete, den Anführer von al-Qaida und einen Terroristen, der verantwortlich ist für die Ermordung Tausender unschuldiger Männer, Frauen und Kinder." Im Laufe des Montags gratulierten Vertreter zahlreicher Länder den USA zu ihrem Erfolg. Nur aus dem Vatikan kamen verhaltene Töne: "Ein Christ sollte niemals den Tod eines Menschen begrüßen", erklärte Federico Lombardi, der Sprecher des Heiligen Stuhls.

"Gefühl der Einheit"

In der Stunde des Triumphes mahnte Obama sein Volk zu innerer Geschlossenheit. Er erinnerte seine Landsleute "an das Gefühl von Einheit, das nach 9/11 herrschte" und das im Laufe der vergangenen zehn Jahre Schaden genommen habe: "Dieser Erfolg ist ein Zeugnis von der Größe unseres Landes und der Entschlossenheit des amerikanischen Volkes." Zwar sei Amerika nicht gefeit vor neuen Anschlägen. Doch beweise dieser Moment, "dass Amerika das leisten kann, was immer es sich vornimmt". Dies sei nicht nur der eigenen Macht geschuldet, sondern auch "dem, was uns ausmacht: eine Nation unter Gott, untrennbar, in Freiheit und Gerechtigkeit für alle", zitierte er den amerikanischen Fahneneid.

Das Weiße Haus und der Geheimdienst CIA gaben am Montag Details der Operation preis. Demnach hatten Informationen von Gefangenen im umstrittenen Lager Guantanamo die US-Ermittler auf die Spur eines al-Qaida-Kuriers gebracht, der seit Jahren zu den engsten Vertrauten Bin Ladens zählte. Im August vorigen Jahrs nahmen US-Agenten dann einen riesigen, auffallend luxuriösen Gebäudekomplex in der nordpakistanischen Stadt Abbottabad ins Visier. Im März gewann der Geheimdienst Gewissheit, dass sich Bin Laden in dem Gebäude versteckt hielt. In fünf Sondersitzungen des Nationalen Sicherheitsrats wurde Obama von der CIA über Fortschritte bei den Ermittlungen informiert. Am vergangenen Freitag erteilte Obama dann die Anweisung, ein Kommando in Marsch zu setzen. Alle Erkenntnisse sowie der Einsatzbefehl wurden vor der pakistanischen Regierung geheim gehalten.

Obama verfolgt Einsatz über Live-Schaltung

In der Nacht zum Sonntag flog ein etwa 25-köpfiges Spezialkommando der Navy Seals mit Hubschraubern in Abbottabad ein. Laut US-Angaben überrumpelte es die Wachen und stellte Bin Laden. Er sei von einer seiner Ehefrauen namentlich identifiziert worden. Als der Terrorführer Widerstand geleistet habe, sei er mit einem gezielten Kopfschuss getötet worden. Zudem seien einer seiner Söhne, zwei seiner Kuriere sowie eine Frau ums Leben gekommen. Obama habe die 40-minütige Operation per Satellit live im Weißen Haus verfolgt. Obamas Anti-Terror-Berater John Brennan sagte, Ziel der Mission sei nicht die Tötung Bin Ladens gewesen. Er wäre gefangen genommen worden, wenn er sich nicht gewehrt hätte. Die getötete Frau sei eine der Ehefrauen Bin Ladens gewesen, die dieser als Schutzschild benutzt habe. Brennan kündigte eine Untersuchung darüber an, wie Bin Laden so lange in Abbottabad leben konnte. Es sei "unvorstellbar", dass er keine Unterstützer in Pakistan gehabt habe.

Die Navy Seals flogen mit der Leiche Bin Ladens nach Afghanistan. Laut US-Regierung wurde er durch einen DNS-Test eindeutig identifiziert. Da kein Land der Welt eine Grabstätte habe zur Verfügung stellen wollen und muslimische Gebote eine Beisetzung innerhalb von 24 Stunden verlangten, habe man den Leichnam auf hoher See bestattet. Auf dem US-Flugzeugträger Carl Vinson sei Bin Laden zuvor nach islamischem Ritus gewaschen worden.

"Nur noch Symblofigur!"

Terrorexperten warnten,nun könnten versprengte al-Qaida-Kommandos Racheakte vor allem gegen die USA versuchen. Auch in Deutschland wird damit gerechnet, dass Einzeltäter spontane Anschläge verüben könnten. In einer Telefonkonferenz der Staatssekretäre von Bund und Ländern wurden Anschlagsversuche in den nächsten Wochen für möglich gehalten. Der al-Qaida-Experte Peter Bergen von der New America Foundation sagte, Bin Laden sei zuletzt "nur noch eine Symbolfigur" gewesen, der längst die operative Kontrolle über sein Netzwerk abgetreten habe. Experten erwarten, dass nun al-Qaidas bisherige Nummer zwei, der Ägypter Aiman al-Zawahiri, das Kommando übernehme.

Der Tod des weltweit meistgesuchten Terroristen bedeutet für die USA einen Sieg nach fast zehnjähriger Jagd, die allein die Geheimdienste 500 Milliarden Dollar gekostet hatte. Obamas Amtsvorgänger George W. Bush hatte nach den Terroranschlägen 2001 die Parole ausgegeben, er wolle Bin Laden "tot oder lebendig". Bush befahl nicht nur den Sturz des Talibanregimes in Afghanistan, sondern auch die international umstrittene Invasion im Irak. Die Einrichtung des Terroristen-Gefängnisses in Guantanamo brachte die Nation weltweit in Verruf.

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