Bundesregierung:Die SPD zieht ihre Brandmauer im Asylstreit auf

Wenn CDU und CSU wieder zusammenfinden, landet die Frage nach Asylrechtsverschärfungen bei der SPD - und nichts würde sie härter treffen, als dann sprachlos zu sein.

Kommentar von Mike Szymanski, Berlin

In der Flüchtlingspolitik hat Andrea Nahles ihre eigene SPD rechts überholt, lange bevor die CSU den beispiellosen Asylstreit in der Union vom Zaun gebrochen hat. Deshalb war es wenig überraschend, dass die Parteivorsitzende am Montag in die Debatte mit dem Vorschlag eingestiegen ist, beschleunigte Asylverfahren nun auch für jene Fälle anzuwenden, in denen Flüchtlinge bereits in anderen Ländern registriert worden sind.

Das taugt einerseits als Kompromisslinie für den Fall, dass die Unionsparteien überhaupt an der Lösung des Problems in der Sache interessiert sein sollten. Die eigentliche Botschaft aber ist: Dort, wo die Gesetze es heute hergeben, ist auch die SPD bereit, einen harten Kurs zu vertreten. Gerade jetzt, da die Union in ihrer Kernkompetenz zu versagen scheint, will Nahles zeigen: Die SPD kann auch innere Sicherheit.

Daran müssen sich manche in ihrer Partei erst noch gewöhnen. Gerade hatte Nahles mit der Äußerung, Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, großen Ärger in der SPD ausgelöst und sich vom Berliner Landesverband rechte Rhetorik vorhalten lassen müssen. Das hat Nahles getroffen. Von ihrem Weg abbringen lassen will sie sich deshalb nicht. Was die Flüchtlingspolitik angeht, hat die Partei im April eine neue Chefin bekommen, die absolut klar in ihrer Position ist. Das ist schon einmal viel wert, unabhängig davon, wie viel Streit es darüber noch in der SPD geben wird. Und vermutlich wird es jede Menge davon geben.

Andrea Nahles bleibt der Linie treu, die sie in ihrer Zeit als Arbeitsministerin eingeschlagen hatte. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise stieg sie keineswegs in die Euphorie der damaligen Tage ein. Sie war es, die früh davor warnte, wie schwierig die Integration einer solch großen Zahl von Flüchtlingen, zum großen Teil mit schlechter Ausbildung, tatsächlich werden würde. Sie erkannte auch zeitig, welche Konflikte im Innersten ihrer eigenen Partei aufbrechen würden: Anfang 2016 schrieb die damalige Arbeitsministerin: "Es gibt nicht nur eine Million Flüchtlinge. Es gibt auch eine Million Langzeitarbeitslose, die weiterhin unsere volle Unterstützung brauchen und bekommen." Nahles fürchtete um Errungenschaften wie den Mindestlohn oder sah Reformvorhaben wie die Einschränkung der Leiharbeit gefährdet, weil der Arbeitsmarkt nach Ansicht von Ökonomen flexibler werden müsse, um eine derart große Zahl auch gering Qualifizierter aufnehmen zu können.

Bis heute ist es der SPD nicht gelungen, wirklich zu einer klaren Haltung in der Flüchtlingspolitik zu finden. Im Kleinen zeigte sich das beim Familiennachzug - den hätte die SPD beinahe auch für sogenannte Gefährder zugelassen. Im Großen zeigt sich der Schlingerkurs in der Diskussion um ein Einwanderungsgesetz, bei der die SPD die zentrale Frage noch beantworten muss: Soll es vom Grundsatz her mehr Zuzug ermöglichen oder doch die Einwanderung begrenzen?

Im Asylstreit der Union hat Andrea Nahles mit ihrem Kompromissvorschlag zumindest eine Brandmauer hochgezogen. Wenn CDU und CSU doch wieder zusammenfinden, wovon die SPD-Spitze ausgeht, landet die Frage nach Asylrechtsverschärfungen rasch bei der SPD - und nichts würde die SPD härter treffen, als dann sprachlos zu sein. Nahles baut vor, und das ist klug. Es wäre nach all dem Streit in der Union auch absurd, wenn diese Koalition an der SPD scheitern sollte.

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