Islam-Debatte:Seehofer muss sich nach rechts abgrenzen

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Die Erklärung des Innenministers vor dem Bundestag ist betont friedfertig. Gut so, denn Rassismus und Islamhass sind die großen Herausforderungen seiner Amtszeit.

Kommentar von Constanze von Bullion, Berlin

Horst Seehofer allein zu Haus - so lässt sich zusammenfassen, was am Freitagmorgen auf der Regierungsbank im Bundestag zu besichtigen war. Seehofer trat dort zu seiner Antrittsrede als Bundesinnenminister im Parlament an. Der CSU-Chef vertritt ein Riesenressort und ein besonders hart umkämpftes politisches Feld, aber die wichtigsten Kollegen blieben fern: Die Kanzlerin fehlte, sie ist in Brüssel. Auch der Außenminister ließ sich vertreten, der Finanz-, der Wirtschafts-, der Arbeitsminister, die Ministerinnen für Justiz und Familie.

Nur Zufall? Wohl kaum. Seehofer darf so viel Absenz als Hinweis verstehen, dass nicht jeder im Kabinett seine Selbsteinschätzung teilt, zumindest nicht hinsichtlich seiner eigenen Bedeutung.

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Was dann folgte, war allerdings auch keine Seehofer'sche Kampfansage, sondern klang eher nach einem "Ich habe verstanden". Zurückhaltend und unter Verzicht auf jede rhetorische Spitze trug Seehofer dem Parlament vor, was er schon vorher in einer Serie von Interviews kundgetan hatte: dass er die Sicherheit im Land erhöhen will, die Migration begrenzen, den sozialen Frieden fördern. Für Gesetzesbrecher gelte "null Toleranz", aber auch für "Hassparolen und Gewalt gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen". Wirklich?

Eben noch hat der Mann aus Bayern erklärt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Er hat damit Millionen Muslime im Land verprellt und sie vom großen bundesrepubikanischen Wir so pauschal ausgeschlossen wie lange kein Bundesminister vor ihm. Das ist gefährlich und stützt die Radikalen im Land. Denn Rechtsextremisten und Fremdenfeinden wird damit von entscheidender Stelle signalisiert, Muslime seien Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft. Islamisten wiederum werden sich in ihrer Behauptung bestätigt sehen, Muslime würden in westlichen Gesellschaften ohnehin gehasst, folgerichtig gehörten diese Gesellschaften bekämpft.

Er will kein Zündler sein

Seehofer hat seine Distanzierung vom Islam in seiner Antrittsrede nicht wiederholt. Das dürfte aber weder der Schelte der Kanzlerin noch einem nächtlichen Sinneswandel geschuldet sein. Er hat lediglich den Konflikt mit Merkel auf offener Bühne vermieden, im Parlament. Dem Spiegel aber hatte er da schon das nächste Interview gegeben: Er werde seine Politik "nicht um ein Jota" ändern. Das verspricht einen Dauerkonflikt an der Spitze der Regierung.

Horst Seehofer will kein Zündler sein und auch kein Wahlhelfer der AfD. Sein erster Auftritt als Innenminister im Parlament aber hat ihm geradezu physisch vor Augen geführt, wo seine Reise hinführt, wenn er so weiter macht. Nur wenige Meter vor der mau besetzten Regierungsbank brüllten und schimpften die Abgeordneten der AfD. Und dann kam, was zu erwarten war: Ein AfD-Redner griff Seehofers Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" auf und reicherte ihn mit rassistischem Inhalt an.

Wenn Seehofer sich nicht zum Handlanger von Rechten und Rechtsextremisten im Land machen lassen will, muss er sich unmissverständlich gegen Rassisten und Islamhasser abgrenzen. Das wird eine der großen Herausforderungen seiner Amtszeit. In seiner ersten Rede aber hat er rechte Verfassungsfeinde nicht einmal erwähnt. Sie werden ihm das zu vergelten wissen.

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