SPD-Personaldebatte:Der neue alte Gabriel

SPD-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf dem Flug nach Belgrad

Außenminister Sigmar Gabriel auf dem Flug nach Belgrad: Kann es sich die SPD leisten, so einen abzuservieren?

(Foto: imago/photothek)

Der Außenminister sollte Außenminister bleiben. Alles andere wäre eine politische Dummheit der SPD.

Kommentar von Heribert Prantl

Der große Politiker Lloyd George, er war britischer Premierminister während des Ersten Weltkriegs, wurde einmal über den Unterschied zwischen einem Politiker und einem Staatsmann befragt. Ein Politiker, so sagte er, "ist ein Mensch, mit dessen Politik du nicht übereinstimmst; wenn du es aber tust, dann ist er ein Staatsmann".

Wenn dieser Satz auch nach hundert Jahren noch stimmt, dann hätte sich Sigmar Gabriel in jüngerer Zeit für eine Mehrheit der Bundesbürger zum Staatsmann gewandelt; denn aus einem Politiker, der nicht nur, aber auch den Leuten in der SPD seiner Sprunghaftigkeit wegen auf den Geist ging, ist einer geworden, der sich als Außenminister rundum Zustimmung und Achtung erworben hat.

Es wäre töricht, eines der besten Pferde der Partei zum Abdecker zu schicken

Gabriel verkörpert und praktiziert im Amt des Außenministers eine gelungene Mischung aus Resolutheit und Diplomatie, die bei den Leuten gut ankommt - und die ihn in den Beliebtheitsumfragen nach ganz oben befördert hat. Soll, darf und kann man so einen abservieren? Man kann natürlich, man darf es auch - aber man sollte es nicht. Es wäre dies eine politische Dummheit; so viele herausragende Leute hat die SPD auch wieder nicht. Es wäre töricht, eines der besten Pferde der Partei sozusagen zum Abdecker zu schicken.

Die Popularität, die Gabriel sich erworben hat, gereicht ja der Partei nicht eben zum Nachteil. Und die SPD ist nicht in einer Situation, in der sie es sich leisten könnte, auf Popularität zu verzichten - zumal in einer Zeit, in der es Gabriel versteht, die Beziehungen zur Türkei wieder auf eine verträgliche Grundlage zu stellen.

Er tat und tut dies ohne devote Nachgiebigkeit, sondern mit flexibler Härte. Er macht das mit einiger Bravour. Und es wäre ein Bravourstück besonderer Art, wenn es im gelänge, Denis Yücel aus türkischer Haft zu befreien.

Seine pampigen Bemerkungen waren ein grober Fehler - aber er hat sich entschuldigt

Gleichwohl: Gabriel hat in seinen Jahren als SPD-Vorsitzender so vielen Leuten in seiner Partei -Andrea Nahles gehört auch dazu - das Kraut ausgeschüttet, dass sie jetzt die Stunde gekommen sehen, es ihm heimzuzahlen. Man spielt deshalb in der Parteispitze die Erfolge Gabriels als Außenminister herunter und erklärt einem vertraulich, dass es keine Kunst sei, sich als Außenminister beliebt zu machen. Wirklich nicht?

Es gibt in jüngerer Zeit auch Gegenbeispiele. Gabriel versteht sich jedenfalls überraschend gut auf die Kunst der Außenpolitik - besser jedenfalls als darauf, den alten Gabriel ganz hinter sich zu lassen.

Im Vollgefühl der Beliebtheit und im Zorn darüber, dass der Parteivorstand ihn offensichtlich nicht mehr für ministrabel hält, hat nämlich Gabriel pampige öffentliche Bemerkungen über Martin Schulz und den Parteivorstand gemacht; das war ein grober Fehler. Er hat sich dafür bei Schulz entschuldigt; das war anständig.

Vielleicht war es nur der Versuch Gabriels, sich an den Satz des Filmemachers Herbert Achternbusch zu halten: "Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie!" Das wiederum wäre ein Vorgehen, wie es einem Außenminister gut ansteht. Frank-Walter Steinmeier, der jetzige Bundespräsident und Amtsvorgänger von Gabriel als Außenminister, hat dieses Außenminister-Geschäft nämlich so beschrieben: Es bestünde darin, "dass wir uns auch im Zustand totaler Aussichtslosigkeit um kleinste Fortschritte bemühen."

Es wäre ein Akt der Souveränität der neuen Parteiführung, bei der Zusammenstellung der Kabinettsliste den alten Groll gegen Gabriel wegzuräumen und Gabriel dort zu belassen, wo er ist.

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