Meine Presseschau:Woche der Abrechnung

Peter Münch

Selten war das Verhältnis zwischen den USA und Israel so angespannt wie zum Amtsende von US-Präsident Barack Obama. Die israelische Presse beschäftigt sich mit der Standpauke von Außenminister John Kerry.

Zusammengestellt von Peter Münch

Es war die Woche der finalen Abrechnung. Geknirscht hat es ja immer schon zwischen der Regierung von Barack Obama und der israelischen Führung unter Benjamin Netanjahu. Nun aber hat es zum Abschied richtig gekracht, nachdem die USA erst eine UN-Resolution gegen den Siedlungsbau ohne Veto passieren ließen und darauf noch eine Standpauke von Außenminister John Kerry folgte. Die Antwort aus Jerusalem war bemerkenswert deutlich und sie folgte dem "Gever-Gever"-Prinzip. Gever heißt Mann auf Hebräisch, und der Mann-Mann ist ein richtiger Kerl, der sich nichts gefallen lässt, schon gar nicht von Größeren und Stärkeren. Solche Typen findet man zuhauf im israelischen Straßenverkehr, aber ebenso in den Höhen der Politik - und in den Medien.

So hat sich in der Gratiszeitung Israel Hajom, dem auflagenstärksten Blatt im Land, der Kommentator Boaz Bismuth einmal Kerry so richtig vorgeknöpft, in der direkten und klaren Ansprache. Der Impe-rativ in der Überschrift lautet: "Sprich - und dann geh", denn Bismuth kann es ebenso wie Netanjahu kaum erwarten, dass Donald Trump endlich übernimmt in Washington. Kein Wunder, schließlich gehört Israel Hajom dem amerikanischen Milliardär Sheldon Adelson, der Trump und Netanjahu großzügig fördert.

Geld ist also genug da, Bismuth ergänzt es mit Spott: "Acht Jahre lang haben wir auf den Plan der Obama-Regierung für den Frieden zwischen uns und den Palästinensern gewartet. Aber zum Ende (viele Grüße von mir an Hillary) haben Sie uns nichts geboten, was wir nicht schon kannten", schreibt er Kerry ins Stammbuch. "Aber Sie haben schlicht die Wurzel des Problems ignoriert. Warum sollte man auch fordern, dass die Palästinenser einen jüdischen Staat anerkennen? Ist doch nur eine Nebensache. Sie sehen immer nur die Siedlungen. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie besessen sind?"

In die gleiche Kerbe schlägt Nadav Haetzni in Maariv, der Kerry einen "bemerkenswerten Realitätsverlust" attestiert und ihm nebenbei noch "Heuchelei, Dummheit und Bosheit" vorwirft. "Der finale Blitzangriff von Obama und seinen Hintersassen zeigt nur, wie sehr sie uns hassen", meint er. "Ihr einziges Ziel ist es, uns zu schaden bis zum letzten Atemzug der jetzigen Regierung. Aber letztendlich kommt dann Onkel Trump, und nach allem, was er in den vergangenen Tagen erklärt hat, wird er ihren Übeltaten den Garaus machen."

Ebenfalls in Maariv schwingt sich immerhin Ben Caspit, der selten einen Hehl aus seiner Abneigung gegen Netanjahu macht, zum Kerry-Verteidiger auf: "John Kerry hat mit ehrlichem Schmerz gesprochen, direkt aus seinem Herzen, und mit großer Liebe für den Staat Israel", schreibt er - und prangert an, dass ausgerechnet dieser Mann nun "zum Volksfeind und zum Antisemiten" gemacht werde. Auf einer Linie liegt Caspit dabei mit den Kommentatoren der linksliberalen Zeitung Haaretz, wo Kerry ebenfalls "als wahrer Freund Israels" gefeiert wird.

In diesem Lob für Kerry spiegelt sich die vielleicht letzte Hoffnung der marginalisierten israelischen Linken wider, dass es wenigsten im Ausland noch Mächte gibt, die "Israel vor sich selber retten", wie es eine der vielen Kommentar-Überschrift zu diesem Thema in Haaretz zusammenfasst. "Er scheut sich nicht, zu kritisieren, was Kritik verdient, er sorgt sich um Israels Zukunft", heißt es da. "Dies ist genau das, was Israels Opposition tun müsste: eine Alternative zur Politik der jetzigen Regierung bieten. Aber Israel hat keine Opposition mehr, die ihre Aufgabe erfüllt, und deshalb ist es so wichtig, auf Kerry zu hören.

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