Meine Presseschau:Wer telefoniert wann mit wem und warum?

Neidhart

Christoph Neidhart ist SZ-Korrespondent in Tokio.

In der Krise um das Atomwaffen-Programm Nordkoreas bewegt die südkoreanische Presse vorwiegend die Sorge, die USA und China könnten untereinander einigen, ohne dabei Südkorea zu fragen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

In Krisen erhalten Nebensächlichkeiten oft große Bedeutung. Nach Nordkoreas Atomtest vom Sonntag fingen die Zeitungskommentatoren in Südkorea und Japan plötzlich an, Donald Trumps Telefonate zu zählen. Südkoreas Medien empörten sich, Trump habe seit seinem Amtsantritt bereits elfmal mit Japans Premier Shinzō Abe telefoniert, am Tag des Atomversuchs sogar zweimal. Mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in dagegen erst am Montagabend. "Die Moon-Administration wird marginalisiert", klagte Südkoreas führende konservative Tageszeitung Joongang Ilbo. "Das Blaue Haus [der Präsidenten-Sitz] hat vielleicht recht, dass die Zahl der Telefonate nicht so wichtig ist", wog das Blatt ab, warnte aber, "das befürchtete 'Korea Passing' - Entscheidungen über die Zukunft der Halbinsel ohne Beteiligung Seouls - könnte zum 'Korea Bashing' werden." Trump hatte Seoul per Tweet für seine angebliche "Besänftigungspolitik" kritisiert und gedroht, das amerikanische Handelsabkommen mit Südkorea platzen zu lassen. Überdies wisse man auch nicht, wie oft Trump mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping spreche, ohne es publik zu machen. Der Joongang regt sich ebenso über Moon auf, da dieser Trump offenbar nicht anrief. Als Kim vorige Woche eine Rakete über Japan hinwegschießen ließ, so die Zeitung, habe Moon "lethargisch" reagiert. "Im scharfen Gegensatz dazu hat Japans Premier Shinzō sofort mit Präsident Trump telefoniert. Moon nicht."

Die linke südkoreanische Kyunghyang Shinmun dagegen unterstellte Abe, er suche die Nordkorea-Krise mit seiner demonstrativen Nähe zu Trump zu nutzen, um seine schlechten Umfragewerte zu verbessern. Er schüre die Angst der Japaner vor Nordkorea.

Derweil fragt der Kolumnist der englischsprachigen Japan Times, William Pesek, nachdem er Abes Telefonate zählte: "Wäre das nicht der perfekte Moment, auch Chinas Präsident Xi Jinping anzurufen? Schließlich hat Nordkoreas Führer Kim Jong-un mit seinem jüngsten Streich nicht Japan oder die USA veräppelt. Dieses Machtspiel war gegen Xis China gerichtet." Kim habe damit Pekings rote Linie überschritten. "Die Gefahr besteht allerdings, dass Trump glaubt, Kims Atomtest habe ihm gegolten. Trump meint, mit seinem dramatischen 'Feuer und Zorn' könne er Xi erschrecken, damit dieser Kim bändige. Dabei versucht Kim Xi in Verlegenheit zu bringen - um der Welt zu zeigen, dass China nicht Nordkoreas Puppenspieler ist."

Es gebe keine militärische Lösung, so Pesek weiter. "Die USA müssen akzeptieren, dass Nordkorea atomare Gefechtsköpfe hat, die Amerikas Küste erreichen können. Und dies als Ausgangslage annehmen. Wer könnte Trump diese unbequeme Wahrheit eher beibringen als Abe ... Niemand hat Trump mehr Komplimente gemacht. Abe sollte diesen Chip einlösen." Und sich zugleich an Xi wenden. "Welch perfekte Gelegenheit, die alten Kontroversen abzulegen und mit Peking zusammenzuarbeiten ... Mit einem einzigen Anruf könnte Abe das Ende des kalten Krieges zwischen Japan und China einleiten."

Das wird Abe kaum tun, wenn man Yomiuri Shimbun, dem Sprachrohr der japanischen Konservativen (und die größte Zeitung der Welt) glaubt. Ihr Editorial fordert ein Öl-Embargo, um Nordkorea zu stoppen. Es lobt Abes Telefonate mit Trump - und Moon. "Je größer die Spannungen wegen Nordkorea, umso wichtiger die Zusammenarbeit zwischen Japan, den USA und Südkorea. Abe hat auch den russischen Präsidenten Putin angerufen und ihn gebeten mitzumachen." Von China ist in dem Kommentar nicht die Rede.

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