Meine Presseschau:Weltstadt oder Pinneberg?

Peter Burghardt

Bei der Würdigung der Elbphilharmonie überschlägt sich Hamburgs Presse vor Begeisterung. Vergessen sind alle Skandale. Die Korrespondenten ausländischer Zeitungen sind etwas neidisch auf das neue Wahrzeichen der Hansestadt.

Ausgewählt von Peter Burghardt

Jetzt ist die Elbphilharmonie also fertig und eingeweiht. Da war die Aufregung groß, es staunte die halbe Welt - und die Medien mit. Am Standort des Gebäudes hatte der Rausch schon früher begonnen, Anfang Dezember zum Beispiel im Stern. "Das Traumschloss", überschrieb das Hamburger Magazin die Titelgeschichte über seine Heimat, Hamburg werde mit diesem Wunderwerk "von der Wasserstadt zur Weltstadt". Der Spiegel wiederum, der andere Nachbar, wunderte sich, wieso manche Leute die Elbphilharmonie "Elphi" nennen. Das klinge "nach Singkreis in Pinneberg." Eine "Erniedrigung des Liebesobjekts" entdeckte der Autor: "Erst das Trophy Girl haben wollen, aber es dann schlecht behandeln, weil es sich als eine Nummer zu groß herausgestellt hat."

Als es am Mittwoch nach zehn Jahren Bau und den auf 789 Millionen Euro verzehnfachten Kosten so weit war und 2100 Auserwählte anrückten, brach mancher Damm. Vor allem in der wunderbaren Hansestadt, deren Bewohner doch als mäßig aufgekratzt gelten.

Das Hamburger Abendblatt veröffentlichte seine Sonderausgabe dergestalt, dass die übrige Zeitung zur Beilage wurde, nicht umgekehrt. Die ersten 22 Seiten waren in großzügig dimensioniertem Stolz komplett dem neuen Wahrzeichen gewidmet, Überschrift "Die Vollendete" mit ganzseitigem Foto. Bürgermeister Olaf Scholz erzählte zum Beispiel, dass er als Kind mal Oboe gespielt und ihm die Elbphilharmonie dann den Schlaf geraubt habe. Zwei Tage nach der Premiere eine bange Frage in derselben Gazette: "Schon Weltklasse?" Es habe "auch kritische Stimmen" gegeben. Schon Tage zuvor hatten die Regionalzeitungen begeistert eine Rangliste der New York Times gewürdigt, die Hamburg mit seiner Elbphilharmonie und übrigen Architektur zum zehntbesten Reiseziel 2017 erkor. Die Zeit meldete nachher Zweifel an dem Ranking an. Aber was sagen die New York Times und andere Auswärtige sonst so zur Elbphilharmonie?

Nun, fast alle berichten natürlich von Verzögerungen und Finanzchaos, sind jedoch mehrheitlich schwer begeistert. Die Kritikerin der New York Times begann auf der gebogenen Rolltreppe im Schneckentempo und entdeckte im Gesamtkunstwerk einen "potent coup de théâtre". Sie vermutet einen "Bilbao-Effekt" für Hamburg, wie durch das Guggenheim-Museum im Baskenland. Sie zitiert den Dirigenten Alan Gilbert, der findet, das Gebäude passe perfekt zu seiner Vorstellung von einem Orchester des 21. Jahrhunderts.

Der Guardian aus London erklärt genüsslich, wieso Deutschland stolz auf die Elbphilharmonie sei und weshalb sich Großbritannien auch mehr um die Kultur kümmern sollte. Fasziniert ist der Rezensent besonders davon, dass die gesamte deutsche Politelite zur Eröffnungsparty erschien und auch die Kanzlerin Angela Merkel trotz Wahlen, Putin, Trump und Flüchtlingen bis zum letzten Ton mehr als vier Stunden lang in ihrer Geburtsstadt blieb. Weil sie eben die Musik genoss.

El País aus Madrid fühlte sich von der Rolltreppe an Londons Tate Gallery erinnert. Und es sei, als schwimme das ganze Werk auf der Elbe. Angesichts des Kaufpreises wird allerdings nebenbei auch der beruhigende Verdacht geäußert, dass selbst germanische Effizienz täuschen könne (wobei anzumerken wäre, dass die Baufirma Spaniern gehört). "Ein wahres Juwel", schwärmt La Nación aus Buenos Aires und suchte sich einen Kronzeugen. Darío Lopérfido vom Teatro Colón sei der einzig geladene Lateinamerikaner im Saal gewesen. Die Elbphilharmonie, glaubt der Argentinier demnach, "wird sich in eine fotografische Ikone verwandeln".

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