Meine Presseschau:Verschwörung

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Cathrin Kahlweit. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: Bernd Schifferdecker)

Per Gesetz will die ungarische Regierung die Central European University des Milliardärs George Soros schließen. Die regimenahe Presse wirft ihm finstere Machenschaften vor.

AUSGEWÄHLT VON CATHRIN KAHLWEIT, WIEN

Die ungarische Regierung geriert sich derzeit als Opfer einer konzertierten Aktion von Feinden, die sich gegen das kleine Land verschworen haben. Sie beobachtet mit wachsender Nervosität die täglich größer werdenden Demonstrationen auf ihren Straßen, die Drohungen aus Brüssel und die Empörung in den internationalen Medien. Und sie beklagt, dass die Proteste gegen das auf die Central Eastern University zielende Hochschulgesetz, das Gesetz gegen Nichtregierungsorganisationen sowie gegen eine Bürgerbefragung ("nationale Konsultation") voller manipulativer Fragen - alle in eine Richtung wiesen: Ungarn solle ein fremder Wille aufgezwungen werden, der Wille von George Soros.

Dass nicht nur die großen Medien in den USA und liberale europäische Zeitungen, Wissenschaftler und Künstler über die Politik von Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz herfallen ( Foreign Affairs etwa verglich Ungarn mit Russland), sondern dass auch ein Teil der eigenen Leute verunsichert ist, stärkt in Budapest nur die Wagenburgmentalität.

Die massive Kritik gilt regierungsnahen Medien dabei als Beweis für den Grundvorwurf: Der jüdische und Ungarn-feindliche US-Milliardär George Soros regiere die Welt; er bezahle die Feinde Ungarns, bringe sie ins Land, untergrabe die Einheit. Sein höchstes Ziel sei: die ungarische Flüchtlingspolitik zu kippen.

Die Pflege dieses Feindbildes hat mittlerweile manische Züge angenommen: EU-Kommissar Frans Timmermans sei zur Unterstützung der Migrationspolitik verpflichtet und der "beste Freund von Soros", schreibt Magyar Idök. Ein Vize-Chef von Fidesz wird in Magyar Nemzet mit der Aussage zitiert, die CEU sei nur das"Ersatz-Schlachtfeld", auf dem sich Ungarn und das "Soros-Imperium" begegneten. Von Soros finanzierte Nichtregierungsorganisationen forderten zu Rechtsbrüchen auf und prägten das negative Bild des Landes. Das Online-Portal 888.hu warnt, unter den Soros-Leuten befänden sich "Anarchisten". Ein Fidesz-Hardliner geht in Magyar Hirlap auf Donald Trump los, dessen Administration zum Ärger und zur Überraschung der Orbán-Truppe in der Frage der bedrohten Universität nicht kompromissbereit ist. Der notorische Antisemit Zsolt Bayer bezieht sich explizit auf diesen Artikel, wenn er, wie von Hungarian Spectrum zitiert, deftig nachlegt: Im US-Außenministerium dienten immer noch die alten Kräfte, und Soros sei ihr Boss. Dann droht Bayer: "Ihr könnt auf den Straßen demonstrieren. Ihr könnt versuchen, das Parlament, die Ministerien, das Fidesz-Hauptquartier zu attackieren. Aber nicht lange. Dann werdet ihr selbst erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man verfolgt und bedroht wird."

Auch die offiziellen Stellen entblöden sich nicht, Soros, die EU, die Flüchtlinge, die Gesetze und den Kampf gegen das kleine Ungarn in einen Topf zu werfen. In einer Erklärung des internationalen Kommunikationsbüros der Regierung für westliche Medien heißt es, Brüssel reite eine Attacke gegen Budapest "wegen der Migration". Man wolle Ungarn nach wie vor Zwangsquoten aufzwingen und die Schließung der Grenzen aufheben. Der Druck sei stark, damit man in der Flüchtlingsfrage nachgebe. Dies sei die gemeinsame Position der "Soros-Organisationen" und der EU-Kommission. Aber: Man werde nicht einen Zentimeter zurückweichen.

Eine Zeile unter dieser martialischen Ankündigung gibt es allerdings ein Schlupfloch zurück in die Realität: In dem Pressetext sticht ein rot und fett gedrucktes Wort hervor: Jetzt. Man sei "jetzt" bereit, über das Hochschulgesetz zu reden. Die New York Times frohlockt schon: "Zukunft von CEU-Gesetz fraglich".

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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