Meine Presseschau:Türl mit Seitenteilen

Meine Presseschau: Cathrin Kahlweit. Illustration: Bernd Schifferdecker

Cathrin Kahlweit. Illustration: Bernd Schifferdecker

In Österreich beherrscht die rechtspopulistische FPÖ mit ihren plakativen Aktionen die Debatte um die Flüchtlingspolitik. Bisher gibt es jedoch zwar viel Hass, aber keine brennenden Aslybewerberheime.

Von Cathrin Kahlweit

Der Plan der FPÖ, Minister der österreichischen Bundesregierung wegen fehlender Grenzsicherung und Flüchtlingsregistrierung zu verklagen, ist am Mittwoch krachend gescheitert. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte, dem bayerischen Ministerpräsidenten nicht unähnlich, öffentlichkeitswirksam aber erfolglos mit juristischen Konsequenzen gedroht, weil es nicht von "gutmenschlichen Befindlichkeiten" einiger Politiker abhängen dürfe, ob Gesetze eingehalten würden.

Populistischer Firlefanz. Denn dafür hätte es eines Mehrheitsbeschlusses im Parlament bedurft, und den haben die Rechten denn doch nicht zustande bekommen - allem koalitionsinternem Hickhack über die Flüchtlingskrise, "Asyl auf Zeit", den Familiennachzug und den eskalierenden Streit um einen Zaun zu Slowenien zum Trotz. Der Standard nannte das Instrument der Ministerklage "totes Recht" und konzentrierte sich lieber auf den Zaun-Streit, den die ÖVP-Innenministerin Johanna Miki-Leitner vor knapp zwei Wochen losgetreten hatte und der zwischenzeitlich in einem großartigen Bonmot des Bundeskanzlers kulminierte: Österreich schotte sich nicht ab, Österreich plane nur ein Türl mit Seitenteilen.

Am Freitag nun wurde das Konzept vorgestellt, samt LED-Anzeige und elektronischem Leitsystem, doch schon einen Tag zuvor hatte die Presse gruselige Gerüchte gemeldet: Es solle eine doppelte Befestigung an der Grenze zu Slowenien werden: eine Reihe Stacheldraht, eine Rolle Maschendraht. Schwarzer Humor wie der vom beliebten Zib2-Moderator und ORF-Star Armin Wolf, da habe wohl Stefan Raab als Spezialist für Maschendrahtzäune beratend gewirkt, paarte sich mit vorsichtiger Kritik, wie der der Grünen-Chefin Eva Glawischnig im Standard: Die Regierung könne bedeutend mehr tun als Gitter aufzustellen, etwa für eine funktionierende Infrastruktur sorgen.

Ansonsten bleiben die Reaktionen seltsam ratlos, was daran liegen mag, dass Österreich die deutsche Debatte spiegelt: Man will helfen, sich aber doch abschotten, Gesetze verschärfen, aber die Menschen dabei nicht vernachlässigen, die Deutschen nicht ärgern, aber doch eine eigenständige Politik machen, die Regierungskoalition nicht riskieren, aber einen klaren Standpunkt haben. Nur welchen? Vor allem ist man in Wien froh, dass sich der Protest gegen die Flüchtlinge, anders als in Deutschland, (noch) nicht in brennenden Asylbewerberheimen und Attacken auf Ausländer äußert, sondern (nur) in einer Flut von Hasspostings und sonderbaren Ausfällen einiger rechtspopulistischer Politiker. Diesen Zustand möchte man gern bewahren; Unsicherheit, und da haben sie in Wien sicher recht, ist immer noch besser als Gewalt. Also sind auch die Extrempositionen unter den Demokraten eher moderat: Der ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz macht den Hardliner, betont aber in Servus TV, er sei nicht rechts, nur realistisch; auf der anderen Seite stehen Kritiker des jetzigen Kurses wie Nichtregierungsorganisationen und der Bundesrettungskommandant vom Roten Kreuz, der in der Pressestunde des ORF ein komplettes Politik-Versagen in der Krise ortet.

Österreichs Nachrichtenmagazine befassen sich nach monatelanger, oft fassungsloser, bisweilen wütender Kommentierung der Krise zwischen Bund und Ländern, Rot und Schwarz, Flüchtlingen und Bürokratie derzeit eher mit Nebenaspekten, die aber oft nicht weniger wichtig sind. Der Falter berichtet über das empörende Aus für ein Flüchtlingsprojekt in Bad Gastein, weil der Bürgermeister keine Lust auf Fremde hat. Und Profil erzählt jede Woche eine Geschichte, in der anonyme Flüchtlinge ein Gesicht bekommen.

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