Meine Presseschau:Tritt in den Hintern

Peter Münch

Premierminister Benjamin Netanjahu sagt ein Treffen mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ab. Ein Tiefpunkt in den israelisch-deutschen Beziehungen, findet die Presse.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Streit ist der Stoff, aus dem Schlagzeilen gemacht werden, und deshalb wissen nun auch die Israelis aus Presse, Funk und Fernsehen, dass Deutschland einen neuen Außenminister hat. Sigmar Gabriel hat sich gleich bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem im Ring mit Premierminister Benjamin Netanjahu wiedergefunden. Die israelischen Medien sind sich darüber einig, dass dies einen Tiefpunkt im deutsch-israelischen Verhältnis markiert. Uneins sind sie allerdings in der Frage, wer die Schuld daran trägt: Gabriel, weil er in Israel auf einem Treffen mit linken Aktivisten beharrte? Oder Netanjahu, der deshalb ein geplantes Gespräch mit Gabriel platzen ließ? Über die Klärung dieser Frage ist dann gleich ein weiterer Streit entbrannt mit neuen Schlagzeilen.

Unterstützung für die klare Kante des israelischen Regierungschefs kommt von Meir Ouziel in Maariv: "Netanjahu hat zu 100 Prozent - und wahrscheinlich noch mehr - richtig gehandelt, als er das Treffen mit dem deutschen Außenminister absagte", schreibt er und wirft Gabriel eine vorsätzliche Provokation vor wegen seines Gesprächs mit Vertretern von Breaking the Silence und B`tselem. Kurzum: "Der deutsche Außenminister hat Israel ins Gesicht gespuckt."

Die gleiche Metapher bemühte auch Udi Segal, der diplomatische Korrespondent des Fernsehsenders Channel 2. Das kann natürlich zu 100 Prozent (oder noch mehr) Zufall sein. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass dies eine Lesart ist, die hintergründig aus der Umgebung des Premierministers verbreitet wird. Aber natürlich hat Netanjahu selbst das in seinem nachgetretenen Interview mit Bild viel trockener ausgedrückt und Gabriels Verhalten als "instinktlos" bezeichnet. Man ist ja Diplomat, trotz allem.

Während die Jerusalem Post sich ausnahmsweise unentschieden zeigt - in einem Artikel wird Gabriel "beispiellose Chuzpe" vorgeworfen, in einem anderen Netanjahus Absage als "kontraproduktiv" gescholten - springen die Netanjahu-Kritiker aus Jedioth Achronoth und Haaretz dem deutschen Minister gern zur Seite. Von einem "albernen Boykott" spricht der Jedioth-Kolumnist Nahum Barnea und wirft Netanjahu vor, mit seiner "Paranoia" Israels internationale Beziehungen zu beschädigen. "Wer so oft Alarm schlägt wegen Gefahren, die nicht existieren, der wird am Ende von keiner Regierung auf der Welt mehr ernst genommen - und das birgt eine wirkliche Gefahr."

Das passende Bild dazu liefert der Jedioth-Karikaturist Yotam Fiszbein. Er zeichnet Netanjahu, wie er mit erhobener Hand pathetisch ausruft: "Ich werde es den linken Organisationen nicht erlauben, uns in der internationalen Arena Schaden zuzufügen". Mit dem Bein holt er dabei zugleich aus zu einem Tritt in den Hintern des deutschen Außenministers. Die linksliberale Haaretz schließlich lobt Gabriel dafür, dass er "nicht eingeknickt" ist vor Netanjahu. "Mit dieser Beharrlichkeit hat er der israelischen Regierung eine Lektion in Sachen Demokratie erteilt", heißt es im namentlich nicht gezeichneten Leitartikel. "Diese Regierung ermutigt Hexenjagden auf Linke und Menschenrechtsaktivisten, statt sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen."

Der Haaretz-Kommentator Chemi Shalev beklagt, dass Israel dadurch auf einer "unrühmlichen Liste" von Ländern wie Russland, Ungarn oder Venezuela lande. "Mit einem solchen offenen Krieg gegen Menschenrechtsorganisationen untergraben Netanjahu und seine Regierung die israelische Demokratie und rücken die Führung in eine autoritäre Richtung. Sie ersticken die Rede- und Meinungsfreiheit und hetzen gegen Andersdenkende."

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