Meine Presseschau:Spione und Dilettanten

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Seit bekannt wurde, dass Mitarbeiter des schweizerischen Geheimdenstes deutsche Steuerbeamte belauert haben, diskutiert die Schweizer Presse den Sinn der Aktion.

Ausgewählt von Charlotte Theile, Zürich

Die Lage muss ernst sein, wenn das Liechtensteiner Vaterland sie in der Rubrik "Sapperlot" aufgreift. Die Spionage-Affäre, die derzeit die Beziehung zwischen Deutschland und der Schweiz belastet, bringt täglich neue Schlagzeilen. Die Schweizer Medien, die erst zurückhaltend berichteten, schwanken nun zwischen Abwiegeln und Empörung. Selbst die Liechtensteiner Lokalzeitung findet, es sei "peinlich", dass "Bundesrat und Nachrichtendienst" so "stümperhaft" auf die Enttarnung ihres Agenten Daniel M. reagiert hätten. Tatsächlich hat die Schweiz in den vergangenen zwei Wochen einige Fehler begangen. Außenminister Didier Burkhalter etwa schlug vor, man solle die Geschichte "ein bisschen vergessen" - die Boulevard-Zeitung Blick, die an den Enthüllungen beteiligt ist, strafte den Politiker daraufhin in einem offenen Brief des Chefredakteurs ab. "Das können Sie vergessen, Herr Burkhalter!", heißt es darin. Und: "Wir haben es nicht gern, wenn uns die Obrigkeit einlullend über unsere einfältigen Köpfchen streichelt".

In der eher konservativen NZZ am Sonntag ist die Perspektive eine andere. Die Affäre bekommt hier nur wenige Zeilen - und man findet, ganz grundsätzlich, die Schweiz mache aus der Sache "unnötigerweise eine Staatsaffäre". Es ist die Argumentation die auch FDP-Politiker Burkhalter bemüht. Bis zum Jahr 2014, als Daniel M. die Bewegungen deutscher Steuerfahnder beobachtete, sei die Situation eben eine andere gewesen: "Die Schweiz verteidigte mit dem Einsatz des Spions ihre damals gültigen Gesetze; es gibt daran nichts Anrüchiges" schreibt die NZZ am Sonntag - und geht noch einen Schritt weiter: "Die Empörung auf deutscher Seite, die CDs mit gestohlenen Kundendaten gekauft hatte" wirke "aufgesetzt". Ähnlich sieht das Arthur Rutishauser, Chefredakteur von Sonntagszeitung und Tages-Anzeiger: Die Empörung von sozialdemokratischen Finanzministern sei "ein schlechter Witz", die Deutschen seien schließlich nicht besser. Der eigentliche Skandal ist für Ruthishauser das unprofessionelle Agieren der schweizerischen Dienste.

Je mehr Details ans Licht kommen, desto schlechter stehen die Dienste da. Im ganzen Land wird die Kritik an den politisch Verantwortlichen daher immer schärfer. In der Lokalzeitung Nordwestschweiz etwa setzt man sich mit der "Kungelei" von Generalbundesanwalt Michael Lauber, Geheimdienstchef Markus Seiler und dem Bundesamt für Polizei auseinander. Der "schildbürgerhafte" Einsatz des Spions sei auch ein Ergebnis der viel zu engen Verschränkung von Behörden, die eigentlich getrennt arbeiten sollten. Ohnehin ist die Forderung nach einem Rücktritt von Geheimdienst-Chef Seiler häufig zu hören, was für schweizerische Verhältnisse ungewöhnlich ist. Dass einer wegen Fehlverhalten zurücktritt, kommt so gut wie nie vor.

Für die rechtskonservative Weltwoche, deren Verleger Roger Köppel kürzlich einen Auftritt als Trump-Verteidiger im deutschen Fernsehen hatte, ist dieser Fall knifflig. Normalerweise lässt das Blatt keine Gelegenheit aus, politische Würdenträger in die Enge zu treiben. Doch die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), der Köppel angehört, verteidigte das Bankgeheimnis - der Spion, der gegen deutsche Steuerfahnder im Einsatz war, ist nicht ganz einfach zu kritisieren. Das Blatt beschränkt sich daher vor allem darauf, den geschwärzten Haftbefehl und viele offene Fragen zu drucken. Bei der ebenfalls SVP-nahen Basler Zeitung nimmt man den Spionage-Krimi dagegen als eine Art Ermutigung. Dort heißt es ganz offen: "Hurra, wir leben noch. Hurra, wir spionieren wieder."

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