Meine Presseschau:Privatsphäre

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Das Promiportal Gawker wird verurteilt wegen eines intimen Videos des Wrestlingstars Hulk Hogan. Jetzt diskutiert die Presse über die Folgen.

Von Jürgen Schmieder

Nein, in dieser Presseschau aus Amerika soll nicht von Donald Trump die Rede sein - schon allein deshalb nicht, weil die New York Times diese Woche ausgerechnet hat, dass der republikanische Kandidat durch die Berichterstattung in Medien und auf sozialen Plattformen bislang kostenlose Wahlwerbung im Wert von knapp 1,9 Milliarden Dollar erhalten hat.

Dennoch geht es hier um Medien und darum, was die zeigen dürfen: Ein Gericht in Florida hat das Promiportal Gawker zu einer Strafe von insgesamt 140 Millionen Dollar verurteilt, weil es ein intimes Video des ehemaligen Wrestlingstars Hulk Hogan veröffentlicht hatte. Die Strafe dürfte bei der Revision nach unten korrigiert werden, dennoch wird bereits heftig darüber debattiert, was so ein Urteil für die Pressefreiheit in den USA bedeuten könnte.

Das in der Unterhaltungsbranche viel gelesene Magazin Hollywood Reporter sieht darin einen "Wegweiser für die Zukunft". Es gehe zwar nur um ein Sexvideo, doch seien auch das Recht auf Privatsphäre und die Pressefreiheit generell verhandelt worden: "Im digitalen Zeitalter, mit Drohnen am Himmel und biometrischen Sammeleinrichtungen auf dem Boden, dürfte über die Grenzen beider Grundrechte künftig heftiger gestritten werden." Chefredakteure sollten sich von diesem Urteil, das Gawker durchaus in den Ruin treiben könnte, keinesfalls einschüchtern lassen. In einem Gerichtsverfahren über die Verletzung der Privatsphäre wie bei Hogan geht es nicht nur darum, was gezeigt wurde. Das betont die Los Angeles Times und verweist auf Nacktfotos von Berühmtheiten wie Jennifer Lawrence oder Justin Bieber, die nach Hackerangriffen veröffentlicht worden waren, ebenso wie auf private E-Mails im Zuge des Skandals um die Angriffe von Hackern auf Sony oder die Aussagen von Whistleblowern: "In einer Zeit, in der die Privatsphäre ohnehin neu verhandelt wird - von der Überwachung durch die NSA bis zum Streit zwischen dem FBI und Apple über den Quellcode eines iPhones - kann auch ein doofes Promivideo einen Sinneswandel bei der Bevölkerung bewirken."

Die Washington Post glaubt dagegen nicht an weitreichende Konsequenzen: "Selbst wenn das Urteil bestätigt wird, dürften die Auswirkungen gering sein. Durch das Veröffentlichen eines intimen Videos hat eine Klatsch-Internet-Seite das getan, was die meisten Medien noch nicht einmal in Erwägung ziehen würden."

Das Urteil sei deshalb weniger eine Botschaft an seriöse Journalisten als vielmehr eine Warnung an Klatsch-Reporter und das Zeigen von Grenzen. Doch: Wo sind diese Grenzen zu ziehen? Genau diese Frage stellt die New York Times und regt an, jeden einzelnen Fall neu zu verhandeln und nicht jedes Urteil als möglichen Wegweiser zu interpretieren. Im "Zeitalter, das von Sensationsgier geprägt ist", habe zuletzt ohnehin eine Selbstreinigung bei Internetportalen eingesetzt: "Nachrichtenseiten, die etwas auf sich halten, verzichten auf schlüpfrige Inhalte." Die Leser hätten aufgrund ihres Verzichts auf Voyeurismus ein Umdenken bei den Portalen in Gang gesetzt: "Es könnte sein, dass durch dieses Urteil kein Präzedenzfall geschaffen wird - sondern dass es als kurioses Artefakt einer vergangenen Ära des Internet-Journalismus gelten wird."

Die Times glaubt nicht, dass durch das Urteil gleich der erste Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung über die Meinungsfreiheit in Gefahr ist. Das ist er eher wegen Donald Trump. Der hat als Feind politischer Korrektheit bereits angekündigt, dass er die Pressefreiheit einschränken und Journalisten bei für ihn unangenehmen Artikeln verklagen will.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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