Meine Presseschau:Pegida und seine Folgen

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Die Dresdner Protestbewegung wirkt - vor allem auf die Verkaufszahlen der regionalen Presse. Die Dienstagsausgaben verkaufen sich seit einem Jahr besonders gut. Inhaltlich bilanzieren die Zeitungen weniger positiv.

Ausgewählt von Cornelius Pollmer

"Pegida wirkt!", ruft Lutz Bachmann gerne, wenn in der Asylpolitik restriktive Maßnahmen diskutiert werden. Seit einem Jahr spaziert seine Bewegung nun durch Dresden, auf jeden Fall gewirkt hat Pegida in dieser Zeit auf die regionale Presse. Bei der Dresdner Morgenpost wurde bald ein dritter Server angestöpselt - die Webseite der Zeitung wäre wegen des großen Interesses an Pegida sonst zusammengebrochen. Die Sächsische Zeitung wiederum vermeldet ein Auflagenplus im Einzelverkauf am Dienstag - die Ausgabe mit den Berichten von Pegida verkauft sich jede Woche besonders gut.

Inhaltlich fällt die Bilanz der meistgelesenen Dresdner Tageszeitung nach einem Jahr Pegida weniger positiv aus. In einem Essay rät Heinrich Maria Löbbers dazu, die Bewegung als Symptom zu begreifen, als Ergebnis einer gesellschaftlichen Entwicklung. "Plötzlich standen die Vergessenen auf der Straße und verschafften sich Gehör. Leute, die offenbar das Gefühl haben, von niemandem repräsentiert zu werden. ... die sich selbst als die schweigende Mehrheit begreifen." Natürlich sei es grundsätzlich wünschenswert, wenn viele sich einbringen. Meinungsstreit sollte der Normalzustand der Demokratie sein. "Jene aber, die nun mitmischen wollen, akzeptieren nicht die Regeln. Sie wollen keine repräsentative Demokratie oder haben sie nicht verstanden. Sie verstehen nicht, dass Meinungsfreiheit Grenzen hat. Sie behaupten, sie seien das Volk und alle anderen Volksverräter."

Die Freie Presse aus Chemnitz weist zum Geburtstag der Pegidisten darauf hin, dass deren Unversöhnlichkeit und rhetorische Schärfe die von ihnen eingeforderte Debatte über Asyl eher noch erschweren: "Familien streiten am Mittagstisch. Pegida hat eine sachliche Auseinandersetzung mit Problemen bei der Integration nahezu unmöglich gemacht." Ebenso erinnert die Zeitung an das Scheitern von Pegida mit dem Versuch zu expandieren. "Nach dem Franchise-Prinzip wollte das Orga-Team von Dresden aus sein Konzept in ganz Deutschland, ja sogar europaweit verbreiten. Tatsächlich schossen im Spätherbst 2014 die Pegida-Ableger zunächst wie Pilze aus dem Boden. Ein Jahr später steht fest: Pegida ist und bleibt . . . vor allem ein Dresdner Phänomen."

Mit Interesse beobachten Journalisten das Phänomen auch in Thüringen, wo die AfD in Erfurt gerade versucht, eine Art zweites Regionalzentrum für den Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu etablieren. Dieser Protest werde nicht einfach so verschwinden, kommentiert die Thüringische Landeszeitung. Die gerade zu beobachtende Radikalisierung von Demonstranten komme einigen politischen Akteuren womöglich sogar gelegen, "lenkt sie doch in gewisser Weise davon ab, dass sich die Politik weiterhin um klare Antworten . . . drückt". Solange es diese Antworten nicht gebe, würden weiter Gerüchte regieren und Demagogen sich in ihrer Hetze gegen Flüchtlinge zu überbieten versuchen. Bürger würden sich weiter rechten Vortänzern anschließen. "Daran werden moralische Appelle allein nichts ändern. So fatal es ist."

Was aber hilft, wenn Appelle ungehört verhallen? Die Lausitzer Rundschau konstatiert zwar ebenso, dass man die Pegida-Mitläufer mit großen Reden nicht überzeugen werde. Allerdings sei etwas zu gewinnen, "wenn deren Nachbarn und Kollegen sagen, dass sie sich gedanklich verrannt und sich zu nützlichen Idioten von Rechtsradikalen gemacht haben". Diese wiederum würden auch von allzu großem Optimismus einiger angesichts der zahlreichen Geflüchteten profitieren: "Wer sagt, es könne immer so weitergehen, . . . der ermuntert den rechten Widerstand".

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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