Meine Presseschau:Paul Gascoigne und ein Känguru

Meine Presseschau: Illustration: SZ

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Die Verhandlungen um den Brexit haben bisher kaum Fortschritte gemacht. Die britische Presse kommentiert dies zuweilen bissig.

Ausgewählt von Björn Finke, London

Endlich Urlaub: Am Freitag hat die Sommerpause des britischen Parlaments begonnen. Auch Premierministerin Theresa May verlässt London; sie geht mit ihrem Mann Philip drei Wochen wandern in den Alpen. Die Brexit-Verhandlungen zwischen britischer Regierung und EU-Kommission werden erst wieder Ende August aufgenommen; die zweite Gesprächsrunde endete am Donnerstag. Diese letzte Woche vor den politischen Ferien war aber noch einmal turbulent - im Kabinett eskalierte Streit zwischen Ministern. Diese Querelen und der Stand der Austrittsverhandlungen beschäftigten viele Kommentatoren.

Das konservative Boulevardblatt The Sun fordert, dass sich die regierenden Konservativen "unbarmherzig auf zwei Ziele konzentrieren: auf einen erfolgreichen Brexit und darauf, den Marxisten Jeremy Corbyn aus Nummer 10 herauszuhalten". Jener Mister Corbyn ist Chef der Oppositionspartei Labour und vertritt tatsächlich sehr linke Positionen; mit Nummer 10 ist 10 Downing Street gemeint, der Dienstsitz des Premiers. Die Parteigrößen der Tories beschäftigten sich stattdessen jedoch lieber damit, sich gegenseitig zu bekämpfen, klagt die Zeitung, die mit 1,6 Millionen Auflage die meistverkaufte im Lande ist.

Gegner von Schatzkanzler Philip Hammond haben unvorteilhafte Aussagen von ihm aus vertraulichen Kabinettssitzungen an Medien weitergegeben. Hammond setzt sich für einen sanften Brexit mit Übergangslösungen ein. Eingefleischte EU-Gegner lehnen das ab und bezichtigen den Finanzminister der Sabotage. Theresa May musste darum ihre Minister bei der letzten Kabinettssitzung vor den Ferien zu Geschlossenheit und Disziplin ermahnen.

Die Wirtschaftszeitung Financial Times weist darauf hin, dass der Streit im Kabinett zugleich Ergebnis einer "ungehörigen Drängelei" von Ministern sei, die sich schon jetzt in eine gute Position bringen wollen für den Wettkampf um die Nachfolge Mays. Nach ihrem miserablen Abschneiden bei der Wahl im Juni gilt es als ausgemacht, dass May vor dem nächsten Urnengang abtritt. Die Zeitung, die sich vor dem Referendum klar für den Verbleib in der EU ausgesprochen hat, bezeichnet diese Querelen als "unheilvoll". Der "giftige Machtkampf" lenke von der wichtigen Aufgabe ab, sich mit Brüssel auf die Bedingungen der Trennung und ein Freihandelsabkommen für die Zeit danach zu einigen.

Die zweite Gesprächsrunde zwischen der Regierung und der EU brachte in dieser Woche erwartungsgemäß keine Fortschritte. Trotzdem schreckte Handelsminister Liam Fox, ein leidenschaftlicher EU-Gegner, nicht vor dem ganz großen historischen Bogen zurück. Er sagte, ein Freihandelsvertrag mit der EU werde eines der am einfachsten auszuhandelnden Abkommen "in der Geschichte der Menschheit" sein.

Die linksliberale Zeitung The Independent inspiriert die kühne These des Brexit-Fans zu einem spöttischen Vergleich: Dass sich Menschen wie Fox oder Außenminister Boris Johnson um die Austrittsverhandlungen kümmern, sei in etwa so, als würde "die Armee Paul Gascoigne und ein Känguru schicken", um eine Bombe zu entschärfen, schreibt die Zeitung, die seit einem guten Jahr nur noch als Internet-Titel erscheint. Gascoigne ist ein ehemaliger englischer Fußball-Nationalspieler, der nun vor allem mit Alkoholproblemen und Pöbeleien Schlagzeilen macht. Ob Johnson in diesem Vergleich das Känguru sein soll und Fox der berauschte Rabauke oder umgekehrt, lässt der Autor des Independent offen.

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