Meine Presseschau:Obamas magere Bilanz

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(Foto: N/A)

Die Hinrichtung von Regimegegnern in Saudi-Arabien ist für die Presse in den USA Anlass, mit der Außenpolitik Washingtons abzurechnen.

Von Claus Hulverscheidt

An diesem Sonntag ist Barack Obama genau 2547 Tage im Amt, und auch wenn noch 376 anstehen, ist bereits heute klar: Die außenpolitische Bilanz des 44. Präsidenten der USA wird mäßig ausfallen. Umso wichtiger ist Obama der Atomvertrag mit Iran, der für mehr Sicherheit in Nahost sorgen soll. Doch auch dieser Erfolg droht sich in Luft aufzulösen, denn nach der Exekution des Geistlichen Nimr al-Nimr durch das sunnitische Saudi-Arabien eskaliert dessen Dauerfehde mit dem schiitischen Gegenspieler Iran. Der langjährige US-Alliierte gegen den neuen US-Vertragspartner: Die Zeitungskommentatoren in Nordamerika beleuchten nicht nur die Hintergründe des muslimischen Konfessionsstreits, sondern auch die Rolle Obamas. Dabei sind sich liberale wie konservative Blätter in ihrer Kritik am Präsidenten einig - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Die Los Angeles Times hält die Hinrichtung des Schiiten al-Nimr für einen "inhumanen und provokativen Akt", der eine harte Verurteilung durch die USA verdient gehabt hätte. "Aber diese blieb aus", so die Zeitung. Zwar hat das Blatt Verständnis dafür, dass Obama den saudischen König Salman nicht brüskieren will, weil dieser für einen Erfolg der Verhandlungen über ein Ende des Syrien-Kriegs unverzichtbar sei. "Aber weder die Sorge um die Gespräche noch die historischen Bande zwischen Washington und Riad rechtfertigen eine beschönigende Reaktion auf al-Nimrs Exekution." Genauso sieht das die New York Times, die aber zugleich einräumt, dass sich Amerika angesichts der widrigen Umstände in Nahost "nicht den Luxus leisten kann, ihre Alliierten nach moralischen Kriterien auszusuchen oder abzulehnen".

Aus Sicht des Wall Street Journals dagegen ist Obama gar mitschuldig am harten Vorgehen Salmans gegen Iran-freundliche Propagandisten. "Was haben die Regierung und ihre Alliierten in den Medien denn erwartet? Die USA haben Saudi-Arabien nicht zugehört, als es um das Atomabkommen mit Iran ging", so der Kommentator, jetzt erhielten sie dafür die Quittung. Die Saudis fühlten sich durch iranische Raketen bedroht und vertrauten nicht länger darauf, dass Obama sie im Zweifel verteidigen würde. "Warum also sollen sie weiter auf die USA achten?"

Auch die New York Post fragt, ob in dem Konflikt tatsächlich die Saudis die "bösen Buben" seien. Zwar entspreche deren Justizwesen sicher nicht dem Ideal des amerikanischen Staatstheoretikers, Gründervaters und Präsidenten Thomas Jefferson. In Iran aber stünden die Dinge mindestens genauso schlimm, wenn nicht schlimmer. "Unsere Romanze mit Iran sollte Frieden bringen", so der Autor. "Jetzt könnten wir vor einem totalen sunnitisch-schiitischen Krieg im Nahen Osten stehen."

Der Toronto Star aus Kanada bemüht sich, die Hintergründe der Fehde auszuleuchten. Es sei einfach, den Konflikt auf den über 1000 Jahre alten Streit zwischen Sunniten und Schiiten darüber zu schieben, welche Konfession in der direkten Nachfolge des Propheten Mohammed stehe. Noch vor 20 Jahren aber hätten überall in der Region Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen friedlich zusammengelebt. Dass das heute nicht mehr so sei, liege vor allem an den Saudis: Sie benutzten konfessionelle Gegensätze als "politische Keule", um eine Machtverschiebung zugunsten Irans zu verhindern. "Die Geschichte wird George W. Bushs Namen in die Schlagzeile schreiben: Indem er die sunnitische Diktatur Saddam Husseins beendete, stärkte er plötzlich die lange leidende schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak - und mit ihr die im benachbarten Iran". Ergebnis: "Das regionale Machtgleichgewicht kippte."

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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