Meine Presseschau:Küken des Kalifats

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Nach der Befreiung von Raqqa, der früheren IS-Hochburg, fragen viele arabische Medien, was aus den überlebenden Terroristen wird. Manche fürchten, deren Kinder könnten zu einer neuen Generation von Gewalttätern heranwachsen.

Ausgewählt von Dunja Ramadan

Nun, da die Stadt Raqqa von der Terrormiliz IS befreit wurde, beschäftigen sich viele arabische Medien mit dem Unabhängigkeitsstreben der Kurden. Die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hatten den Kampf gegen den IS mithilfe der USA geführt - jetzt könnten sie Ansprüche erheben. Der Journalist George Issa warnt in der libanesischen Tageszeitung an-Nahar, die Kurden könnten sich an Raqqa die Hände verbrennen, vor allem angesichts der Lage im Nordirak. Die syrischen Kurden müssten nur nach Kirkuk schauen, so Issa. Im Nordirak hatten die Kurden noch vor drei Wochen für einen unabhängigen Staat votiert, mittlerweile erobert die irakische Armee jedoch mithilfe iranisch unterstützter Milizen die Provinz Kirkuk zurück, die Kämpfe dauern an. Für Washington sind die Kämpfe um Kirkuk ein Rückschlag, für Iran dagegen ein Erfolg. "Die syrischen Kurden sollten es deshalb vermeiden, die Amerikaner zu verärgern", schreibt Issa. Da die Kurden im Irak gegen den Willen Washingtons auf dem Referendum bestanden, hätten die Amerikaner sie nun ihrem Schicksal überlassen.

Auch die Zeitung Al Arab mit Sitz in London hält die Hilfe der Amerikaner in Raqqa für notwendig, "denn ohne diese hätten die Kurden all diesen Erfolg und die geografische Ausbreitung nicht verwirklicht". Doch die USA müssen "trotz der chaotischen Zustände innerhalb ihrer Verwaltung" eine umfassende und klare Strategie entwickeln, um die Fehler zu korrigieren, die zur Entstehung des IS und zum Erstarken Russlands in der Region geführt hätten. Während Russland "alles, was es in Syrien erreichen wollte, erreicht hat", müssen die USA sich nun auf einen Schlagabtausch vorbereiten. Auf der anderen Seite hätten die SDF nun die Aufgabe, den "komplizierten Friedensprozess behutsam in Gang zu setzen, um ethnische Spannungen mit der arabischen Mehrheit in der Stadt zu vermeiden." Der regierende Zivilrat stehe vor großen Aufgaben: Der Wiederaufbau der zerstörten Stadt, die mögliche Rebellion der Bewohner sowie die Rückeroberungsversuche Assads, der von Russland und Iran unterstützt wird.

Der Kommentator der saudischen Zeitung Arab News, Abdellatif El-Menawy, möchte zwar "kein Pessimist sein", hält den Sieg am Boden jedoch für "lediglich die Hälfte der Schlacht". Außerdem habe der IS in den vergangenen Jahren Samen in die Köpfe der Bewohner von Raqqa und Mossul gelegt und eine Armee von Kindern, die "Küken des Kalifats", herangezogen. Ihnen trichterten die Terroristen ihre Ideologie ein und lehrten sie den Umgang mit Waffen, schreibt Arab News. Auch Ahmed Budstor in der kuwaitischen Zeitung al-Watan meint, der IS werde sich in einen "schlafenden Bienenstock" verwandeln und "einsame Wölfe" würden weitere Attentate verüben. "Daesh" (der IS) habe sich in ein weltweit agierendes Netzwerk gewandelt, Hunderte IS-Kämpfer hätten es geschafft, aus Syrien zu fliehen. "Entweder sie kämpfen an einer anderen Front, wie zum Beispiel in Libyen, oder sie gehen zurück nach Hause, in ein arabisches oder westliches Land", schreibt El-Menawy. Der Verbleib von Hunderten ausländischen Kämpfern treibt auch die tunesische Zeitung al-Maghrib um. Die europäischen Staaten seien beunruhigt durch das Abkommen, das örtlichen IS-Kämpfer erlaubte, Raqqa zu verlassen. Al-Maghrib titelt: "Der europäische Geheimdienst bereitet sich auf die Rückkehr der Terroristen nach Europa vor."

Das Machtvakuum des IS könnten nun auch andere islamistische Gruppen füllen. Arab News erwähnt die syrische Miliz Khorasan, die US-Geheimdienstler für noch gefährlicher als den IS halten sollen.

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