Meine Presseschau:Krieg der harten Bilder

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Nach dem kompromisslosen Durchgreifen der Polizei gegen das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens streiten sich die Zeitungen Spaniens. Sollten die Katalanen eingeschüchtert werden oder wurden Bilder manipuliert?

Von Thomas Urban, Madrid

Anfang der Woche gingen schockierende Bilder um die Welt: Spanische Polizisten prügeln auf friedliche Demonstranten ein, die beim Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens die Beschlagnahme von Wahlurnen und Stimmzettel verhindern wollten. Seitdem wird in der spanischen Presse heftig darüber gestritten, ob dies Einzelfälle waren, die aber im Foto und Film festgehalten der internationalen Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild von der Lage vermittelten. Oder handelte es sich um eine flächendeckende Einschüchterungsaktion, politisch gewollt, um den widerspenstigen Katalanen klarzumachen, dass die Zentralregierung in Madrid keinen Deut nachgeben wird, da sie das Recht auf ihrer Seite hat? In der Tat hatte das spanische Verfassungsgericht das Referendum ja verboten.

Für die traditionsreiche nationalkonservative Tageszeitung ABC, die energisch die "Einheit des Königreichs" verteidigt, steht fest, dass die PR-Maschine der katalanischen Regionalregierung in diesem "Krieg der harten Bilder" kräftig manipuliert hat. Auch Hitler habe es bereits geschafft, mit einer neuen Bildersprache die Massen zu verwirren. Kleine Kratzer seien als Verletzungen ausgegeben worden, hinzu kämen offenkundig manipulierte Bilder, die über die sozialen Medien Verbreitung fanden. So konnte nachgewiesen werden, dass manche Fotos von prügelnden Polizisten und blutüberströmten Demonstranten ein paar Jahre alt sind und nicht das Geringste mit Katalonien zu tun hatten. Allerdings haben auch diese Nachrichten, von ABC an prominenter Stelle verbreitet, Zweifel geweckt: Sind es wirklich Einzelfälle? Auch konnte nicht bewiesen werden, dass die katalanischen Behörden hinter Manipulationen standen.

ABC lobt in höchsten Tönen die "angemessen reagierende" nationale Polizei, berichtet ausführlich über Besuche von Kabinettsmitgliedern aus Madrid in Polizeikasernen in Katalonien und von Solidaritätskundgebungen für die Ordnungshüter in mehreren Städten. 19 Polizisten und 20 Angehörige der Guardia Civil, der paramilitärischen Polizeitruppe, seien von aggressiven Catalanistas verletzt worden.

Die katalanische Zeitung Ara reagierte auf diese Zahlen mit der Verbreitung einer Twittermeldung der Guardia Civil. In denen war nur von fünf Verletzten die Rede. Das Foto dazu zeigte einen Gardisten in grüner Uniform mit verbundener Hand. Ara stellte auf seiner Internetseite ein verwackeltes Handyfilmchen dazu, das zeigte, wie Angehörige der Guardia Civil eine Scheibe in einem Schulgebäude einschlagen, in dem sich ein Wahllokal befand. Die Aussage: Vielleicht hat sich der Mann mit der verbundenen Hand ja bei einer solchen Aktion seine Verletzung zugezogen, mit anderen Worten: Selbst schuld! Auch hier fehlt in Kommentaren nicht der Hinweis auf Hitler: Die Guardia Civil sei bekanntlich die Terrortruppe des Diktators Franco gewesen - und diesem habe Hitler zur Macht verholfen.

An keiner Stelle tauchte Hitler hingegen in den Kommentaren der großen liberalen Tageszeitung La Vanguardia auf, die in zwei identischen Ausgaben auf Spanisch und Katalanisch in Barcelona erscheint. Die Redaktion bemüht sich offenkundig um einen neutralen Kurs und wird deshalb sowohl von Catalanistas als auch Españolistas attackiert. Im Gegensatz zu den großen Zeitungen Madrids, die heftig für die spanische Sache agitieren, lässt sie beide Seiten unvoreingenommen zu Wort kommen, analysiert aber auch gnadenlos die PR-Kampagnen und die "menschliche Dummheit" hier und dort. Die Kommentatoren des 126 Jahre alten Blattes, das im Bürgerkrieg die Republik verteidigte und in der Franco-Zeit an seinen Namen das Adjektiv "española" hängen musste, geben nur in einem Punkt ihre Zurückhaltung auf: "Nicht Gewalt, sondern nur Dialog kann der Weg zur Lösung sein."

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