Meine Presseschau:Iran und seine Nachbarn

Paul Anton Krüger

Der Atom-Deal mit Iran wühlt den Nahen Osten auf. Medien in sunnitischen Staaten und Israel äußern sich kritisch, die Schiiten positiv.

Ausgewählt von Paul-Anton Krüger

Im Großen und Ganzen sortieren sich die Reaktionen im Nahen Osten auf das Atomabkommen mit Iran recht vorhersagbar: In Ländern, die mit Iran im Clinch liegen, überwiegend kritisch; in jenen Staaten, die mit Iran verbündet sind, eher positiv. Es gibt auch interessante Zwischentöne.

In Israel titelte das Premier Netanjahu treu ergebene Gratisblatt Israel Hayom "Tage des Schandmals", Yedioth Ahronoth, die größte Boulevardzeitung, schrieb: "Die Welt kapituliert vor Iran". Dagegen konstatierte die linksliberale Haaretz, das Abkommen sei "ein riesiger diplomatischer Erfolg und historischer Wendepunkt in den Beziehungen des Westens mit Iran". Israel habe als "Hauptziel der iranischen Bedrohung" jedes Recht, den Vertrag "mit Misstrauen und Skepsis zu sehen". Es müsse sich aber auch der internationalen Gemeinschaft anschließen, sowohl was Befürchtungen als auch Hoffnungen mit Blick auf die Vereinbarung angehe. Das Blatt kann sich stützen auf eine Reihe früherer Armee- und Geheimdienstchefs, deren Tenor lautet, Israel könne mit dem Abkommen gut leben und gewinne an Sicherheit.

Im sunnitischen Saudi-Arabien, dem wichtigsten regionalen Konkurrenten Teherans, ist die Kritik fast einhellig - bezieht sich aber überwiegend auf die befürchteten regionalpolitischen Auswirkungen. So schreibt al-Yaum aus Dammam, einem Zentrum der Ölindustrie, der Deal bedeute, dass die Welt und der Nahe Osten vor "einer neuen Phase des Chaos' und der Aggression" stünden, die Iran befeuern werde. Eine neue Welle der Aufrüstung stehe bevor. Al-Riyadh folgert, die sunnitischen Golfstaaten müssten nun selbst ihre Atomprogramme vorantreiben und seien gezwungen "sich selbst strategisch zu schützen und nicht abzuwarten, wo das Abkommen hinführt". Die Zeitungen geben durchweg in Nuancen die Haltung der Regierung wieder - unabhängige Medien gibt es in dem Königreich nicht.

Al-Khaleej aus Dubai argumentiert ähnlich. Die Hauptsorge der Länder der Region sei nicht das Atomprogramm, die Golfstaaten fürchten sich "vor den regionalen Ansprüchen Teherans". Auch Emad Adieb, Kolumnist der in Kairo erscheinenden al-Watan, ("Heimatland") schreibt, die "moderaten sunnitischen Kräfte in der Region" müssten "für das Atomabkommen die Rechnung zahlen". Die USA und die Europäer seien auf die Atomfrage fixiert und übersähen, dass Iran den Terror in der Region unterstütze.

Bestärkt fühlen können sie sich durch Kommentare der syrischen Presse. Iran werde nun "mehr Möglichkeiten haben, Syrien in seinem gerechten Krieg" zu unterstützen, heißt es etwa in al-Thawara. Das könne andere Länder zwingen, ihre Beziehungen zu Syrien zu ändern. Die in London ansässige panarabisch-palästinensische al-Quds al-Arabi sieht schon eine strategische Allianz zwischen Iran und dem Westen, die wiederum die arabischen Staaten mit Israel in ein Zweckbündnis zwinge - zu Lasten der Palästinenser.

In Katar, das engere Beziehungen zu Iran pflegt, prophezeit al-Watan mit Sitz in Doha, das Abkommen werde ein Stabilitätsfaktor sein und einen Rüstungswettlauf verhindern. Im Sultanat Oman, das half, die Gespräche einzufädeln, wird der Deal als Erfolg der eigenen Diplomatie gewertet. Der Kolumnist Khamis al-Tobi schreibt in al-Watan, die (sunnitischen) Araber seien damit beschäftigt, sich mit dem Islam zur Zeit des Propheten Mohammed zu beschäftigen, während die (schiitischen) Iraner Wissenschaft und Technologie entwickelten. Diesen Vorwurf der Rückständigkeit an die konservativen Wahhabiten kann er sich nur erlauben, weil die Omaner überwiegend Ibaditen sind - die zwischen Sunniten und Schiiten stehen.

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