Meine Presseschau:Hass auf Spanien, Flucht nach Brüssel

Meine Presseschau: Thomas Urban ist SZ-Korrespondent in Madrid.

Thomas Urban ist SZ-Korrespondent in Madrid.

Im Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens gehen die meisten spanischen Medien hart mit beiden Seiten ins Gericht.

Ausgewählt von Thomas Urban, Madrid

Die Untersuchungshaft für die abgesetzten katalanischen Minister und das angedrohte Auslieferungsverfahren für den Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont - er hielt sich zuletzt in Brüssel auf - beherrschen die Schlagzeilen der spanischen Presse. Für die monarchistische Tageszeitung La Razón steht außer Zweifel, dass die führenden Köpfe der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung nur ein Spektakel aufführen, wenn sie sich nun als politische Gefangene präsentieren und somit mit "emotionaler Munition" schießen. Nach Meinung des ultrakonservativen Blattes haben sie die katalanische Gesellschaft gespalten, indem sie "Hass auf Spanien" säten. Die nun abgesetzte Führung in Barcelona habe die öffentlich-rechtlichen Medien für ihre eigene Propaganda missbraucht; die hinter ihr stehende bürgerliche Elite habe darauf gesetzt, sich in einem unabhängigen Katalonien "noch mehr als bisher zu bereichern". Der Kommentator begrüßt die Verhaftungen: "Die Ex-Minister sind keine politischen Gefangenen, sondern Personen, die schwere Delikte im Sinne des Strafgesetzbuchs begangen haben."

Ganz anders beurteilt die in Barcelona sowohl auf Spanisch als auch auf Katalanisch erscheinende linksliberale Tageszeitung El Periódico die Lage: Zunächst spart sie nicht mit scharfer Kritik an Puigdemont. Seine "Flucht nach Brüssel" erst habe die spanische Staatsanwaltschaft veranlasst, die Mitglieder seines Kabinetts in Untersuchungshaft zu nehmen. Noch schärfer aber geht die Zeitung mit der Generalstaatsanwaltschaft in Madrid ins Gericht. Die Begründungen für die Inhaftierungen seien überaus zweifelhaft. Eine Demokratie müsse es aushalten, wenn Politiker und Bürger erklären, ihr Ziel sei eine grundsätzliche Umgestaltung des staatlichen Rahmens, in dem sie leben. Absichtserklärungen sehe nur eine Diktatur als Verbrechen an; eine Politik, die darauf abzielt, aus einer Monarchie eine demokratische Republik zu machen, könne nicht unter das Strafrecht fallen. Auch könne schwerlich von einer Rebellion die Rede sein, da eine solche durch Gewalttaten gekennzeichnet sei; die nun Inhaftierten aber hätten stets zu Gewaltlosigkeit und passivem Widerstand gegen Madrid aufgerufen. Nach Meinung von El Periódico gilt der Grundsatz: Gefängnis kann keine Lösung für ein politisches Problem sein.

Höchst aufmerksam wird die Entwicklung des Konflikts zwischen Madrid und Barcelona im Baskenland verfolgt. Die in Bilbao auf Spanisch erscheinende Tageszeitung El Correo, die der liberalkonservativen Regierung der Region nahesteht, findet keine guten Worte für den harten Kurs des konservativen spanischen Premierministers Mariano Rajoy gegenüber den Katalanen. Zwar kommt auch Puigdemont nicht gut weg, da er offenkundig nicht bereit ist, sich seiner Mitverantwortung für die Krise zu stellen. Doch in großer Aufmachung zitiert das Blatt die Worte des baskischen Regionalpräsidenten Iñigo Urkullu über Rajoy: "Ihm fehlt völlig jegliche politische Intelligenz!" Urkullu hatte sich noch in der vergangenen Woche bemüht, hinter den Kulissen einen Kompromiss auszuhandeln: Dabei hätte Puigdemont die Proklamation der Unabhängigkeit Kataloniens abgeblasen und Neuwahlen angesetzt, falls bis dahin die Politiker und Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung von der Justiz nicht behelligt worden wären. Doch der siegessichere Rajoy wollte diese Zusicherung nicht geben, dabei wäre so die ganz große Konfrontation zu vermeiden gewesen. Weiter heißt es in El Correo: "Die Verhaftung einer legitim gewählten Regierung ist das schlimmste Szenario, das man sich in einer Demokratie vorstellen kann."

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