Meine Presseschau:"Glücksdiskurs" in Spanien

Meine Presseschau: Thomas Urban ist SZ-Korrespondent in Madrid.

Thomas Urban ist SZ-Korrespondent in Madrid.

In Europa wurde der Regierungswechsel in Madrid mit einiger Sorge wahrgenommen: Fällt nun das nächste EU-Land in die Hände von Populisten? In Spanien selbst ist die Stimmung eine ganz andere.

Von Thomas Urban

Die linksliberale Madrider Tageszeitung El País verströmt Zufriedenheit: Die neue Regierung, geführt vom Sozialistenchef Pedro Sánchez, werde die politische Blockade im Land beenden. Besonders lobenswert sei es, dass Sánchez auf Frauen setze: Es sind elf gegenüber nur sieben Männern im neuen Kabinett. Allerdings warnt der Leitartikler auch Sánchez, da er sich nur auf 84 der 350 Abgeordneten stützen kann, also auf Neuwahlen setzen muss, um seine politische Basis zu verbreitern. Am Ende könne es so ausgehen, dass Sánchez nach den Wahlen verkünden muss: "Ich habe es versucht, aber sie haben mich nicht gelassen."

Der liberalkonservative El Mundo schreibt ironisch: "Spanien hat den Weltrekord überboten: Elf Ministerinnen!" Sánchez dürfte damit vor allem bei der jungen Generation punkten. Aber werde dies reichen, um die politischen Probleme des Landes zu lösen? Es sei überhaupt nicht zu erkennen, wie er eine Mehrheit für sein Programm bekommen könne.

Das nationalkonservative Traditionsblatt ABC gesteht den neuen Ministerinnen und Ministern "ein paar Tage voller Glück, Selbstgefälligkeit, progressiven Vergnügens" zu. Es seien Momente für schöne Fotos, für theatralische Inszenierungen. "Aber morgen kommt die Realität, die Grausamkeit der Zahlen, die sich nicht durch einen Glücksdiskurs beeinflussen lassen." Sánchez habe es versäumt, vor seinem Griff zur Macht Verbündete zu suchen, die ihn auch mittelfristig stützen werden. Denn letztendlich zählten nicht schöne Worte, sondern nur die errungenen Parlamentssitze.

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