Meine Presseschau:Gelb und blau ärgern

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Österreichs Presse befasst sich in diesen Tagen mit der Volkswahl des neuen Bundespräsidenten. Die verspricht spannend zu werden. Aussichtsreichster Bewerber ist derzeit der Kandidat der Grünen.

Ausgewählt von Cathrin Kahlweit, Wien

Dieser Wahlkampf ist eine komplizierte Sache: Wie soll ein Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten bei einer Direktwahl für sich werben, der kein politisches Programm verkaufen kann und so tun muss, als stehe er über den Parteien? In Österreich, wo fünf Herren und eine Dame um das höchste Amt im Staate konkurrieren, nimmt das Schaulaufen daher bizarre Züge an. In einer vorgezogenen Elefantenrunde im Privatfernsehen bekämpfen sich Kandidaten mit Ja- und Nein-Schildern, bei einer moderierten Autofahrt im ORF steht einmal bei jedem Stopp ein Trompeter am Straßenrand, ein Kandidat singt selbst, der zweite fotografiert, der dritte schweigt. Bei Kurz-Duellen sollen vor dem Studio Dutzende Schiedsrichter die Sieger in den TV-Zweikämpfen küren. Viel Spiel, viel Spaß, wenig Inhalt.

Gleichwohl ist die Präsidentschaftswahl in Österreich bisher ein Renner, was Quoten und Auflagen angeht, denn sie verspricht ungewohnt spannend zu werden: Der grüne Kandidat, Alexander van der Bellen (der sich offiziell als unabhängig bezeichnet), liegt, wer hätte das gedacht, in den Umfragen vorn, dicht gefolgt vom FPÖ-Mann Norbert Hofer - was womöglich viel über die Haltung der Österreicher zur Flüchtlingsfrage aussagt: Sie sind tief gespalten. Es könnte sogar sehr gut sein, dass die beiden Vertreter der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP nicht einmal in die Stichwahl kommen, was eine politische Sensation wäre. Die Kleine Zeitung titelt daher unter Verweis auf die jüngste Umfrage, "Rot und Schwarz" ärgerten sich "grün und blau" - zumal sich als dritte hinter dem links-grünen und dem rechtspopulistisch-blauen Kandidaten die unabhängige Richterin Irmgard Griss positioniert hat. Die Wiener Zeitung fragt eine Woche nach dem Wahlkampfstart frech: "Wer ist dieser Hundstorfer" - und spielt darauf an, dass bei der Jugend Vertreter der etablierten Parteien - wie der für die SPÖ antretende ehemalige Sozialminister - entweder unbekannt oder unbeliebt seien.

In der Tiroler Tageszeitung spricht der ÖVP-Chef seiner Partei Mut zu: Die Regierung werde sich nicht gleich auflösen, wenn ÖVP-Kandidat Andreas Khol nicht gewinne. Der liegt derzeit in Umfragen an vorletzter Stelle. Auch beim Kurier ist man sich einig, dass die "spannendste Bundespräsidentenwahl seit Langem bevorsteht", klärt aber in einem Quiz darüber auf, dass nur ein einziges Mal in der zweiten Republik auch der Kandidat am Ende siegte, der mit den meisten Stimmen in die Stichwahl einzog - was letztlich eine Niederlage für den derzeitigen Umfragenkönig, den Grünen Alexander van der Bellen, implizieren würde.

Warum die Regierungsparteien, die (bis auf ein schwarz-blaues Interregnum) seit Jahrzehnten große Koalitionen bilden, so schlecht dastehen, belegt die vielleicht einzige inhaltliche Debatte, welche die Bewerber zuletzt geführt haben. Der Präsident darf auf Vorschlag der Bundesregierung den Nationalrat entlassen, und er kann die Regierung feuern - was sich beides auf Staatskrisen bezieht und eine Staatskrise auslösen könnte. Und der Präsident vereidigt die Regierung, in Österreich heißt das "angeloben".

FPÖ-Mann Hofer droht nun, er würde eine Regierung entlassen, die in der Flüchtlingsfrage eine Politik der offenen Grenzen verfolgt. Der Grüne, van der Bellen, will eine blaue Regierung nicht angeloben, weil die FPÖ europafeindlich ist. Und Paradiesvogel und Shopping-Mall Besitzer Richard Lugner, der in den Umfragen auf dem letzten Platz rangiert, findet eh, Rot-Schwarz habe abgewirtschaftet. Wenn er Präsident wird, sagte er im ORF, dann werde er eine Neuauflage der großen Koalition zu verhindern wissen.

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