Meine Presseschau:Führt der Brexit zu einem neuen Commenwealth?

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Diese Frage beschäftigt Zeitungen in Indien und Singapur.

Von Arne Perras

Das britische Kolonialreich, das längst Geschichte ist, hatte Entdeckern und Abenteuern viel zu verdanken. Was sie in aller Welt erkundeten oder eroberten, wurde später nicht selten dem Empire einverleibt. Diejenigen, die jetzt für den Brexit stimmten, wollen die früheren Kolonialgebiete auf ihre Weise wiederentdecken. Zu-mindest nutzen sie das Argument, dass ein EU-Austritt den Weg freimache, um besser mit dem "Commonwealth of Nations" ins Geschäft zu kommen. Das ist ein loser Bund sehr unterschiedlicher Länder, die fast alle mal von London beherrscht wurden.

Aber was denken Staaten des Commonwealth darüber? Wollen sie überhaupt von der alten Kolonialmacht wiederentdeckt werden? Am weitesten entfernt liegen Australien und Neuseeland, die schon vor der Abstimmung die Aussicht auf einen Brexit skeptisch beobachteten. Viele fürchten den Schock für die globale Ökonomie. The Australian, ein Blatt des Medienmagnaten Rupert Murdoch, glaubt, dass der Ausstieg nicht nur Britanniens Einfluss in Europa, sondern auch in der Welt schwächt. "Eine vernünftige Einschätzung kommt zu dem Schluss, dass Britannien viel mehr verliert als gewinnt", schreibt der Kolumnist Paul Kelly.

In Südafrika warnt der Business Day vor einer möglichen Schwäche seiner Währung, des Rand. Der Toronto Star rechnet vor allem Kosten für die kanadische Wirtschaft vor. Auch in Indien, einst das Herzstück des Empires, herrscht keine Brexit-Euphorie. London galt bislang als Tor zum europäischen Markt. Es zuzustoßen, liegt nicht im Interesse indischer Unternehmer. So war zu lesen, dass indische Investoren durch einen Brexit doch zu leiden hätten. Allerdings gibt es nicht nur Klagen, man hofft auch auf einige Vorteile: Zum Beispiel, dass Geschäfte mit den Briten künftig leichter werden könnten, sobald EU-Regularien wegfallen, wie die Tageszeitung Hindustan Times anmerkt.

Sofern die Briten darauf aus sind, mit den Indern stärker ins Geschäft zu kommen, sind alte Verbindungen schon hilfreich. Allerdings kann London nicht einfach voranpreschen, weil antikoloniale Reflexe in Delhi immer noch stark ausgeprägt sind.

Im einstigen kolonialen Freihafen Singapur, einem Brückenkopf des Empires, ist ebenfalls keine Begeisterung für den Brexit zu spüren, weitaus stärker wiegt die Sorge um die bröckelnde EU; aus ökonomischen Gründen wünschen sich viele asiatische Staaten ein starkes Europa. Über Vorteile, die sich aus engeren Beziehungen im Commonwealth-Club ergeben könnten, reden bislang nur wenige. Die vom Staat beaufsichtigte Straits Times warnt in einem Editorial vor negativen Konsequenzen "weltweit", wobei sie die denkbaren Folgen für Europa sogar als "katastrophal" einstuft: Ein Brexit wird "fast sicher eine unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen". Der Kolumnist sieht im EU-Austritt der Briten zudem ein Risiko für die globale Sicherheit, weil sich fortan Nato und EU streiten würden, wer die Sicherheit auf dem Kontinent garantiert. Außerdem sieht der Kommentator den drohenden "Rückfall in ein altes Europa, in dem nationalistische Rivalitäten gären und autoritäre Populisten aufblühen".

Aus vielen Einschätzungen spricht vor allem eines: Die Furcht vor dem Zerfall Europas, der in die Welt ausstrahlt. Vorfreude auf eine Renaissance alter Beziehungen mit London? Eher nicht. Sollte es eine Sehnsucht geben, von Britannien wiederentdeckt zu werden, so ist sie kaum zu spüren. Es ist ja auch nicht so, als hätten alle die britische Kolonialherrschaft in bester Erinnerung behalten.

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