Meine Presseschau:Ein einziger Kandidat

Nicolas Richter

Nicolas Richter ist US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Illustration: Bernd Schifferdecker

Ob sich Trump wohl ändern würde, wäre er Präsident? Das fragen sich die großen amerikanischen Zeitungen nach dieser entscheidenden Woche im Wahlkampf vor dem Wahlkampf. Antworten haben sie auch.

Von Nicolas Richter

Es hat sich monatelang angebahnt, aber in dieser Woche ging es ganz schnell: Ted Cruz und John Kasich haben im Wettbewerb um das Weiße Haus aufgegeben, damit bleibt der Republikanischen Partei nur noch ein einziger Kandidat für die Hauptwahl im Herbst: Donald Trump. Was vor einem Jahr noch als Witz galt, ist nun Wirklichkeit - der 69 Jahre alte Geschäftsmann und Unterhalter tritt im Namen der "Grand Old Party" zu der Präsidentschaftswahl an.

In ihrem Leitartikel zitiert die New York Times den Wahlbeobachter Henry Olsen mit den Worten: "Ich beobachte eine 160 Jahre alte Partei dabei, wie sie Selbstmord begeht." Anschließend bemerkt die linksliberale Zeitung aus Trumps Heimatstadt: "Trump wäre der unberechenbarste und am wenigsten vorbereitete Kandidat, den eine der großen Parteien in der jüngeren Geschichte aufgestellt hat." Jahrelang hätten die Anführer der Republikaner nur von Wahl zu Wahl gedacht und der Mittelschicht etliche Versprechen gemacht, ohne sie je zu halten. Dass die Wähler nun einem Mann vertrauten, der Amerika neue Größe verspreche, aber nichts als Isolationismus und Fremdenfeindlichkeit biete, zeige, "wie sehr die Wähler jene Politiker ablehnen, die sie verraten haben".

In Trumps Umfeld hieß es immer wieder, er werde sich ändern, sobald er der Nominierte sei - er werde dann staatsmännischer sein. Die Washington Post glaubt nicht an diese Neuerfindung. Sie erinnert an Trumps abstruse Vorschläge zum Staatsbudget, wo er zum Beispiel bei einem Etat für Medikamente 300 Milliarden Dollar einsparen will, der nur 87 Milliarden beträgt. Oder an Trumps Lügen zur Außenpolitik, wie jene etwa, dass Mexiko "Vergewaltiger" über die Grenze schicke.

Trump, vermutet die Post, wird einen Neustart nicht hinbekommen: "Es ist zwar möglich, dass er in ruhigerem Ton spricht und weniger Beschimpfungen absondert, aber er kann nicht ändern, wie er ist." Das Land müsse nun verhindern, dass Trump zu einer Katastrophe werde für die USA und die Welt. In den bisherigen Vorwahlen hätten nur 4,7 Prozent aller wahlberechtigten Amerikaner für ihn gestimmt. Es bleibe also noch Hoffnung. "Er kann und muss gestoppt werden."

Das konservative Wall Street Journal nähert sich derweil wenig begeistert der "Trump-Wirklichkeit" an. "Herr Trump war nicht unsere erste Wahl, auch nicht unsere fünfzehnte, aber die Realität ist die, dass ihn die meisten republikanischen Vorwähler bevorzugt haben." Auch das Journal sieht erhebliche Schwächen im Programm Trumps. Er sei naiv in seiner Beurteilung der Gefahren für Europa durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin, und seine protektionistische Handelspolitik sei "rücksichtslos und würde entweder von der Welt abgelehnt werden oder eine globale Rezession auslösen".

Wie die Kollegen von Times und Post bezweifelt das Journal, dass sich Trump ändern kann. Es gesteht ihm immerhin zu, der "variabelste" Präsidentschaftskandidat der Geschichte zu sein. "Er hat eine Chance zu gewinnen, aber er kann auch so viele Wähler befremden oder erschrecken, dass er eine erdrutschartige Niederlage erleidet und dabei auch die republikanischen Mehrheiten in beiden Parlamentskammern in den Abgrund reißt."

Die Zeitung kündigt an, sie werde Trump und dessen mutmaßliche demokratische Rivalin Hillary Clinton in den kommenden Monaten scharf beobachten - mit einem Auge darauf, was am besten sei für Freiheit und Wohlstand. "So unattraktiv diese Wahl auch ist, einer der beiden Kandidaten wird das nächste Staatsoberhaupt sein. Wir müssen das Beste aus dieser Realität machen."

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