Meine Presseschau:China und der Smog

Meine Presseschau: Kai Strittmatter ist Korrespondent der SZ in China.

Kai Strittmatter ist Korrespondent der SZ in China.

Die Führung in Peking redet den Chinesen wenigstens nicht mehr ein, es sei Nebel, der die Luft verpestet. Trotzdem versucht das Regime, die Öffentlichkeit zu steuern.

Von Kai Strittmatter

Kein Zweifel, Peking hat gelernt seit dem Horror-Smog vom Januar 2013. Die Zeiten sind vorbei, in denen man Chinas Bürgern erzählen konnte, die graue Wolle, die regelmäßig ihre Städte einhüllt, ihre Augen zum Tränen und den Rachen zum Brennen bringt, sei "Nebel". Das heißt nicht, dass die Propaganda ihre Kontrolle der öffentlichen Meinung aufgegeben hätte. Die neue Smog-Katastrophe in den letzten zwei Wochen, das erstmalige Ausrufen der Alarmstufe Rot in Peking - das war ein Zeichen für das Versagen der Behörden, ihre Bürger vor dem Gift zu schützen. Die Parteipresse gab sich derweil größte Mühe, das amtliche Wirken in ein positives Licht zu rücken.

Die Pekinger Zeitung Global Times war da beispielhaft. Während spöttische Nutzer im Internet die gleichzeitig in Paris tagenden Klimaschützer aus aller Welt einluden, doch lieber in Pekings schwarzer Smogsuppe zu verhandeln, titelte das Blatt: "Pekings prinzipienhafte Klimapolitik setzt ein Beispiel für die ganze Welt". Und während die Bürger sich erregten über die Pekinger Stadtregierung, die es an den schwärzesten Tagen nicht über sich brachte, Alarmstufe Rot auszurufen, pries die Global Times den "Realitätssinn" dieser Regierung, als diese eine Woche später dann - bei viel geringeren Smogwerten - doch Rot ausrief: "Die Welt lobt Pekings Entschlossenheit". Ratgeber-Artikel wie in der Pekinger Morgenzeitung empfahlen als Gegenmittel zum Smog den Bürgern, viele Shiitake-Pilze zu essen, "um Ihr Immunsystem zu schützen".

Einige kritische Stimmen gab es, zum Beispiel der Kommentar auf der Webseite von China National Radio, der "mehr Ehrlichkeit" forderte: "Am Ende wird der Erfolg bei der Smogbekämpfung nicht gemessen an lautstark verkündeten Zahlen, sondern daran, ob das Volk wirklich den blauen Himmel sieht." Die Beijing News sprachen von einem "Warnschuss": "Es ist nun notwendig, einige wirtschaftliche Interessen hintanzustellen." Ein paar der kritischsten Worte fanden sich ausgerechnet in der Volkszeitung, dem Sprachrohr der KP, die ahnte: "Die Luftqualität beeinflusst direkt das Glücksgefühl der Bevölkerung." Die Stoßrichtung war dabei klar: Die KP-Führung sorgt sich ebenso wie das Volk, und wenn einer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, dann höchstens Pekings Bürgermeister Wang Anshun. Der hatte noch 2014 getönt, wenn er den Smog nicht in den Griff bekomme, dann werde er seinen Kopf bei der KP-Führung abliefern. "Wir brauchen nicht den Kopf des Bürgermeisters, wir brauchen saubere Luft", schrieb die Volkszeitung.

Tiefer gehende Analysen, die Frage nach den Wurzeln des Problems, waren die Ausnahme. Das mutige Wirtschaftsmagazin Caixin hatte schon im November enthüllt, wie die Regierung die Verschmutzungsstatistiken manipuliert: Bei der Kohleverbrennung - Hauptursache für die dreckige Luft - hatten die Behörden die Werte offenbar halbiert. Während der Smogtage nun berichtete das Blatt, wie viele Fabriken die Notfall-Anordnungen einfach ignorierten und trotz Verbots weiter produzierten. "Das Problem ist", schrieb Caixin, "dass nur wenige jemals zur Rechenschaft gezogen werden für solche Verstöße." Offene Worte fand die South China Morning Post, die im noch immer freieren Hongkong erscheint. Sie verwies auf die fehlende Transparenz und die tief verwurzelte Mauschelei zwischen Fabriken und Beamten im chinesischen System: Was fehle, seien Pressefreiheit und die öffentliche Überwachung von Beamten. "Das sind unverzichtbare Waffen. Die Bürger müssen zuerst diese Rechte erlangen, bevor sie den Kampf gegen die Verschmutzung gewinnen können."

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