Mehrheit im Bundesrat:Wie Rot-Rot-Grün die Kanzlerin nachhaltig fesselt

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Mit dem Sieg in Niedersachsen kann Rot-Grün im Bundesrat alle Gesetzesentwürfe der Regierung unter Kanzlerin Merkel blockieren. (Foto: REUTERS)

In Europa ein Riese, daheim machtlos: Angela Merkel steht nach der CDU-Pleite in Niedersachsen eine gegnerische Mehrheit im Bundesrat gegenüber. Ohne SPD, Grüne und Linke geht nichts mehr - und das wird sich ganz lange nicht ändern.

Ein Kommentar von Robert Roßmann

Für SPD und Grüne war es einer der schlimmsten Tage ihrer gemeinsamen Geschichte. Die Umfragen hatten Hans Eichel einen klaren Sieg bei der hessischen Landtagswahl vorhergesagt. Doch damals, am 7. Februar 1999, triumphierte überraschend Roland Koch. Ausgerechnet Koch: Der Christdemokrat hatte mit einer anrüchigen Unterschriftenliste gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mobil gemacht.

Rot-Grün verlor mit der Landtagswahl nicht nur die Macht in Hessen, sondern auch die Mehrheit im Bundesrat. 14 Jahre ist das jetzt her. Sozialdemokraten und Grünen war es in all den Jahren nie mehr gelungen, die Mehrheit in der Länderkammer zurückzuerobern. Das muss man wissen, um ermessen zu können, wie groß die Freude bei Rot-Grün jetzt ist.

Nach der Wahl Stephan Weils zum Ministerpräsidenten werden SPD und Grüne mithilfe der Linken erstmals wieder den Bundesrat und den Vermittlungsausschuss kontrollieren. Mit dieser Doppel-Mehrheit können sie alle Gesetzentwürfe der Bundesregierung blockieren - egal ob zustimmungspflichtig oder nicht. Das verändert die Tektonik der Macht in Deutschland. Angela Merkel konnte schon lange nicht mehr durchregieren, jetzt kann sie nicht einmal mehr regieren. Die Kanzlerin, in Europa ein Riese, ist zu Hause nun gefesselt wie Gulliver. Ohne Zustimmung von SPD und Grünen geht nichts mehr.

Die rot-grüne Vormacht wird nun jahrelang nicht mehr zu brechen sein

Nun meinen Zyniker, das mache nichts, Merkels Regierung habe bis zur Wahl eh nichts Wichtiges mehr auf der Agenda. Das mag - abgesehen von der Energiewende und der ewigen Euro-Rettung - sogar stimmen. Doch die Abwahl von Schwarz-Gelb in Niedersachsen hat weit über die Bundestagswahl hinaus Bedeutung. Denn die rot-grüne Vormacht in der Länderkammer wird nun jahrelang nicht mehr zu brechen sein.

2013 wählen nur noch die Bayern und die Hessen. In beiden Ländern regieren schwarz-gelbe Bündnisse - Merkels Koalition kann dort also nur verlieren, aber nichts gewinnen. Und 2014 haben CDU und FDP lediglich bei der Landtagswahl in Brandenburg die Chance, die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat zu brechen. Doch eher wird der Berliner Flughafen fertig, als dass Christdemokraten in Potsdam an die Macht kämen. Im Bundesrat wird es also voraussichtlich mindestens bis 2015 eine linke Mehrheit geben.

Für die Bundespolitik bedeutet das eine dramatische Veränderung. Das Land wird praktisch nur noch von einer großen Koalition regiert werden können. Falls Merkels Bündnis im Herbst doch noch die Wiederwahl gelingt, wird es sich mit den Sozialdemokraten und Grünen im Bundesrat zu einer informellen ganz großen Koalition zusammenfinden müssen.

Gibt es zur großen Koalition wirklich keine Alternativen?

Und falls es für Schwarz-Gelb im September nicht reicht, bleibt angesichts der Machtverhältnisse in der Länderkammer eigentlich nur eine echte große Koalition. Schließlich kann sich das mächtigste Land Europas in diesen Zeiten keine Selbstblockade leisten. Die Kohabitation in Frankreich zu Zeiten François Mitterrands und Jacques Chiracs sollte Abschreckung genug sein. Auch die aktuellen Machtverhältnisse in den USA verlocken nicht gerade zur Nachahmung.

Aber gibt es wirklich keine Alternativen? Eine schwarz-grüne Koalition hätte im Bundesrat keine einzige Stimme. Und für Rot-Grün dürfte es wegen des sicheren Wiedereinzugs der Linken in den Bundestag kaum reichen. Schließlich wird Gysis Truppe dank ihrer vielen Direktmandate auch bei einem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde im nächsten Bundestag sitzen.

Und so bliebe eigentlich nur noch eine Alternative zur großen Koalition: Rot-Rot-Grün. Die drei Parteien haben jetzt die Macht im Bundesrat - und in allen Umfragen für die Bundestagswahl eine Mehrheit. Aber ein solches Bündnis schließt die SPD-Spitze ja aus.

© SZ vom 22.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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