Mangel an Psychotherapeuten:Praxis ohne Plan und Prognose

Die Lage ist nicht überall katastrophal: In den Städten gibt es zu viele Fachärzte, auf dem Land zu wenig. Eine Studie zeigt die Schieflage am Beispiel der Psychotherapeuten.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die niedergelassenen Ärzte in Deutschland sind ungleich verteilt. Nach einer Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung konzentrieren sich viele Fachärzte in den Städten. Auf dem Land hingegen gebe es zu wenig Mediziner, um von den Patienten schnell und unkompliziert erreicht zu werden. Und das liegt laut Stiftung an einer falschen Planung.

Zum Beispiel die Psychotherapeuten: Knapp 50 Prozent von ihnen führen derzeit ihre Praxis in einem Großstadtzentrum, obwohl dort nur ein Viertel der Bevölkerung lebt. Weitere 29,5 Prozent haben sich in der nahen oder weiteren Umgebung von Großstädten niedergelassen. Nur 16,6 Prozent praktizieren auf dem Land.

Nach den Ergebnissen der Studie wird an diesem Verhältnis auch die 2012 von der schwarz-gelben Koalition beschlossene und noch in Umsetzung befindliche Aufteilung der Arztkreise wenig ändern. Diese neue Bedarfsplanung würde lediglich dazu führen, dass noch 43,7 Prozent (minus 5,9 Punkte) der Psychotherapeuten in den Großstadtzentren praktizieren und 24,1 Prozent (plus 7,5 Punkte) auf dem Land.

Die grundsätzliche Schieflage würde jedoch weiter bestehen, heißt es in der Studie. Die Planungen von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen dürften auch dann immer noch um mehr als 70 Prozent vom tatsächlichen Versorgungsbedarf abweichen. So sollen künftig im urbanen Zentrum 3079 Einwohner auf einen Psychotherapeuten kommen, im ländlichen Bereich sollen es 5953 auf einen sein, also fast doppelt so viele. Diese ungleiche Gewichtung wird damit begründet, dass die Ärzte in den Städten Patienten aus dem Umland mitversorgen sollen und sich das Verhältnis so wieder ausgleicht.

Landärzte müssen viel mehr Einwohner versorgen

Nach Aussagen der Stiftung würde man nur dann eine deutlich bessere Versorgung erreichen, wenn die Planung radikal verändert würde - im Fall der Psychotherapeuten solle zum Beispiel unabhängig vom Ort eine einheitliche Verhältniszahl gelten. Egal ob er seine Praxis nun in der Stadt oder auf dem Land betreibt, jeder Psychotherapeut soll die gleiche Zahl von Einwohnern betreuen. Die Berechnungen zeigen, dass sich dadurch eine bessere Versorgung der Patienten erreichen ließe.

Ein ähnliches Bild bietet sich für die anderen Facharztgruppen, die untersucht wurden. Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Orthopäden, Nervenärzten und Urologen ändert sich durch die Reform von 2012 wenig. Auch nach neuer Bedarfsplanung wird es auf dem Land an Ärzten mangeln, die wohnortnah verfügbar sein sollen.

Nach Worten des Gesundheitsexperten der Stiftung, Stefan Etgeton, zwingt die derzeitige Planung die Patienten dazu, sich in der Stadt behandeln zu lassen. "Fachärzte auf dem Land müssen viel mehr Einwohner versorgen als ihre Kollegen in der Stadt." Kassen und die Ärzteverbände sollten daher die Versorgung stärker an dem tatsächlichen Bedarf in der Bevölkerung orientieren.

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