Medikamente:Chronisch zuzahlen

Die Krankenkassen sollen eigentlich eine Solidargemeinschaft sein - doch sind sie das noch?

Von Kim Björn Becker

Gesetzliche Krankenversicherungen funktionieren seit jeher nach dem Prinzip der Solidarität: Wer gesund und leistungsfähig ist, zahlt ein. Und wer krank wird, dem wird im Gegenzug die erforderliche Hilfe zuteil. Dieses Arrangement hat sich bewährt, es hat zu sozialem Frieden im Land beigetragen und sich als tragfähig erwiesen.

Die Zuzahlung zu Medikamenten untergräbt dieses Prinzip. Kranke zahlen zunehmend für sich selbst. Es geht dabei nicht um Mittel gegen Erkältungen und Rückenschmerzen, mit denen sich die Menschen ohnehin meist selbst therapieren. Im Mittelpunkt stehen verschreibungspflichtige Präparate, die nur bekommt, wessen Arzt es für medizinisch erforderlich hält. Zwar hat es der Gesetzgeber nicht versäumt, die Summe der Patientenbeiträge zu deckeln, derzeit sind es ein bis zwei Prozent des Einkommens. Die Wirkung des Instruments wird dadurch abgeschwächt, doch sie ist im Kern dieselbe: Das Prinzip der Zuzahlung ist die Axt an der Wurzel der Solidarität.

Der jüngste Anstieg der Zuzahlungen um fast ein Fünftel innerhalb von vier Jahren legt den Schluss nahe, dass diese Axt Schaden im Wurzelwerk des deutschen Sozialstaats angerichtet hat. Natürlich fordern die seit Jahren steigenden Ausgaben für Medikamente die Tragfähigkeit des Systems heraus. Es kann aber keine Lösung sein, die Kranken für ihre Krankheit finanziell zu bestrafen.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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