Medienliebling Obama:"Eine bizarre Faszination"

Das Medieninteresse am demokratischen US-Präsidentschaftsbewerber Obama ist gewaltig - und hat mit seiner Auslandsreise einen neuen Höhepunkt erreicht. Seinem republikanischen Rivalen McCain bleibt nur Ironie.

Barbara Galaktionow

Auf der offiziellen Webseite des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain können Besucher derzeit an einer Abstimmung teilnehmen. Die Republikaner haben zwei Videos erstellt, in denen Jubelstatements im amerikanischen Fernsehen über Obama collagenartig zusammengeschnitten sind.

Medienliebling Obama: "Die Medien sind verliebt", beschweren sich die US-Republikaner auf der Webseite ihres Präsidentschaftskandidaten John McCain - denn leider gilt diese Liebe dessen Gegenkandidaten Barack Obama.

"Die Medien sind verliebt", beschweren sich die US-Republikaner auf der Webseite ihres Präsidentschaftskandidaten John McCain - denn leider gilt diese Liebe dessen Gegenkandidaten Barack Obama.

(Foto: Screenshot: www.johnmccain.de)

Beide Videos sind mit Siebziger-Jahre-Hits von Franki Valli unterlegt. Die User dürfen nun darüber abstimmen, welche Variante ihnen besser gefällt: die mit dem Song "My Eyes Adored You" oder - derzeit deutlicher Favorit - "Can't take my eyes off of you".

Es sei "ziemlich offensichtlich", dass die Medien eine "bizarre Faszination" mit Obama verbinde, beschweren sich die Republikaner. Die Medien seien "verliebt". Ebenso unverkennbar ist jedoch auch, dass die Republikaner mit den Videos versuchen, ihren Ärger über die große Medienpräsenz Obamas ironisch zu brechen.

Denn keine Frage - das Medieninteresse für den schwarzen Präsidentschaftskandidaten ist beispiellos. Eine Erhebung des angesehenen Project for Excellence in Journalism zeigt, dass Obama in den sechs Wochen seit dem Ausscheiden seiner innerparteilichen Rivalin Hillary Clinton die Berichterstattung über die US-Wahl dominiert: In 78 Prozent der Berichte in Print, Radio und Fernsehen war er eine der Hauptfiguren, McCain hingegen nur in 51 Prozent.

Live und in voller Länge

Mit Obamas neuntägiger Reise in den Nahen Osten und nach Europa erreicht das Medieninteresse nun einen neuen Höhepunkt. "Es ist eine kurze Reise nach diplomatischen Maßstäben, aber eine lange für das Fernsehen", schrieb die New York Times. Denn Obama wird bei seinem Auslandstrip von einem massiven Presseaufgebot begleitet. 200 US-Journalisten sollen es der Zeit zufolge sein.

Doch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ will und kann Obama punkten: Sogar die Top-Nachrichtensprecher der großen TV-Sender CBS, NBC und ABC reisen mit ins Ausland und führen exklusive Interviews mit ihm. Eine Pressekonferenz Obamas in Jordanien wurde von allen drei Fernsehsendern live und in voller Länge übertragen.

Auch CNN blendete sich am Mittwoch aus der Übertragung eines McCain-Stopps in Pennsylvania aus, um Obamas Pressekonferenz in Israel zu übertragen. Auch MSNBC und Fox News Channel zeigten nur kurz Bilder von McCains Auftritt, sendeten dann aber Obama.

Die Nachfrage nach Plätzen für mitreisende Journalisten im Obama-Jet war laut dem Nachrichtenportal zoomer.de so groß, dass Obamas Pressemitarbeiter die etwa 40 Plätze gezielt an ihnen genehme Journalisten vergeben konnten, meist an verdiente Korrespondenten, die die Wahlkampftour Obamas bereits seit Monaten begleiten. Ausländische Journalisten sollen nicht darunter sein.

Doch auch in den deutschen Medien ist das Interesse am Shootingstar Obama gewaltig. Seit Tagen macht der schwarze Senator Schlagzeilen. Mehrere große Zeitschriften und Zeitungen hoben den US-Wahlkämpfer in dieser Woche auf ihre Cover: "Barack Obama. Erlöser oder Verführer?", titelte der Stern kritisch, während der Spiegel jubelte: "Deutschland trifft den Superstar". Die Bild-Zeitung rief Obama bereits zu "Berlins neuem Kennedy" aus.

Auch das Berliner Stadtmagazin Zitty ließ sich nicht lumpen. "Ich bin schwarz! Und das ist auch gut so", titelte das Szeneblatt unter Anspielung auf das öffentliche Outing des homosexuellen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit.

Presseauftrieb an der Siegessäule

Und eingedenk der öffentlich bekundeten Begeisterung der Berliner bei früheren Besuchen von US-Präsidenten, lieferte die Zitty auch gleich noch ein - wohl nicht bierernst gemeintes - Winkutensil mit: eine US-Flagge zum Selberbasteln.

Die Berliner können also gerüstet sein für die am Abend anstehende öffentliche Rede des US-Präsidentschaftskandidaten vor der Siegessäule. Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende Menschen werden zu der Ansprache unweit des Brandenburger Tores erwartet.

Auch der Auftrieb der Fernsehstationen wird gewaltig sein. In Deutschland wollen nicht nur die Nachrichten- und Dokumentationskanäle Phoenix, N 24 und n-tv die Rede live übertragen, sondern auch die ARD in ihrem Ersten Programm. Außerdem möchte das ZDF seinen Teil vom Nachrichtenkuchen ergattern: Teile der Obama-Rede sollen in einem "ZDF spezial" ebenfalls live ausgestrahlt werden. Da das Spektakel zur Primetime stattfindet, dürften Millionen Deutsche auf diese Weise an dem Geschehen teilhaben.

Hören Sie mehr zum Thema:

Weitere Meinungen und Hintergründe zu Obamas Berlinbesuch gibt es im Podcastmagazin von SZ Audio. Hier erfahren Sie auch, warum der demokratische US-Präsidentschaftskandidat in seiner Rede auf einen historischen Satz in Präsidentenmanier besser verzichten sollte.

Wir wollten auf Berlins Straßen wissen: Was halten Sie von Obama?

Zu Obamas Rede vor der Siegessäule werden etwa eine Million Besucher erwartet. Wir fragten Passanten in Berlin, ob sie es richtig finden, dass Obama an diesem Ort spricht.

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