Medienfreie Zone beim Landesparteitag:Der Pirat mag's gern privat

Die niedersächsischen Piraten wollen unter sich sein. Das zumindest war der verheerende Eindruck nach der Ankündigung, auf dem Landesparteitag Tabu-Zonen für Kameras und Fotografen einzurichten. In der Praxis ist das halb so wild - nur ein Schutzwall aus Pappbehältern irritiert.

Jens Schneider, Wolfenbüttel

Man muss schon ein wenig suchen, um die orangefarbene Markierung zu entdecken, die vorab für so viel Ärger sorgte. Sie ist orange wie fast alles bei den Piraten, und doch leicht zu übersehen. Mit orangefarbenem Gaffa-Tape hat Niedersachsens Piratenpartei auf dem Fußboden der Lindenhalle in Wolfenbüttel bei ihrem Landesparteitag vier Tischreihen abgegrenzt.

Landesparteitag Piratenpartei Niedersachsen

Ein Delegierter schläft beim Landesparteitag der niedersächsischen Piratenpartei in Wolfenbüttel auf einem Sofa. Der Parteitag hat am Samstag trotz Protesten schon im Vorfeld die Arbeit von Journalisten eingeschränkt. Für eine private Zone waren 116 Plätze vorgesehen, etwa ein Drittel der gesamten Sitzmöglichkeiten.

(Foto: dpa)

Die Tische liegen mitten im Saal, aber weiter hinten. Sie sind fast voll besetzt, wie alle anderen Plätze im Saal, in dem die Luft während der zähen Debatten über die Landesliste der niedersächsischen Piraten schnell stickig geworden ist. Auf das orangene Klebeband haben die Veranstalter per Hand an einigen Stellen "Private Zone" geschrieben. Dies ist die für Journalisten zwar nicht verbotene, aber doch eingeschränkte Zone. Wer hier sitzt, der darf nach den von der niedersächsischen Piratenpartei gesetzten Regel nicht en détail gefilmt werden.

Das bedeutet für die Piraten, dass der Bereich zwar - etwa in einem Schwenk - gefilmt oder fotografiert werden darf. Aufnahmen der "Private Zone" seien ausdrücklich gestattet, heißt es in den außergewöhnlichen Regularien für diesen Parteitag. Nicht erwünscht aber seien direkte Aufnahmen von Personen oder deren Laptops. Denn der eigene Bildschirm gehöre für Piraten eben auch zu ihrer Privatsphäre.

Aufregung um Ankündigung

Weiter heißt es in den Regeln: "Die Piraten in der 'Private Zone' sind im Allgemeinen auch nicht dazu bereit, in diesem Bereich Interviews mit der Presse zu führen. Man könne die entsprechenden Personen aber fragen und um ein Gespräch bitten.

Diese in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Regelung hat vorab für einige Aufregung gesorgt. Es entstand - auch bei Journalistenverbänden - der Eindruck, dass ausgerechnet die Partei, die stets den großen Wert von Transparenz so sehr betont, die Pressefreiheit einschränken wolle.

Die erste Ankündigung des Verbands dazu vor dem Parteitag war zudem mindestens unglücklich formuliert. Sie klang nach noch stärkeren Einschränkungen, die Partei korrigierte sich.

Nun müsse man ja nur in den Saal gucken, um zu sehen, dass es keinerlei Einschränkung der Pressefreiheit gebe, sagt Achim Bohl, der die Abtrennung für das "Orga-Team" des Parteitags mitorganisierte. Die Freiheit der Presse werde doch offensichtlich an keiner Stelle eingeschränkt, sagt auch die Parteisprecherin Angelika Schürmann.

Schutzwall von Pappbehältern

Tatsächlich kann das Geschehen des Parteitags jeder Zeit frei gefilmt werden, im Saal können sich Journalisten frei bewegen. Gleich zu Beginn beschlossen die Mitglieder des Parteitags die Regel einstimmig bei nur zwei Enthaltungen. So weit, so unspektakulär.

Die "Private Zone" umfasst 116 Sitzplätze. Viele Mitglieder halten sich dort auf, weil sie keinen Platz in anderen Bereichen gefunden haben. Ein Pirat meint es aber offenbar ernst: Er hat um seinen Laptop eine Schutzwand aus roten Pappbehältern gebaut. Das wirkt, als würde er gerade "Schiffe versenken" spielen und seine Markierungen um jeden Preis schützen wollen. Die Konstruktion würde ein gutes Foto abgeben - nur ist das ja nicht erlaubt.

Die Mehrheit - rund 200 Mitglieder und Gäste - sitzt allerdings in der sogenannten Mixed Zone. Für sie gibt es keine Beschränkungen. Offenkundig getrennt sind die Zonen nicht. Es ist kein Unmut unter den Reportern zu spüren.

Und doch ist die Regel und der Umgang damit ein Novum. Bisher konnten Kamera-Teams seit Jahrzehnten bei Parteitagen in der Regel überall alles frei filmen. Es gilt als Zeichen einer lebendigen Demokratie, dass Mitglieder sich auf Parteitagen offen zu ihrer Mitgliedschaft bekennen - und eher als ein Markenzeichen düster extremer Parteien wie der NPD, dass sie Journalisten keinen Zugang zu ihren Treffen gewährte.

Kaum Konflikte, kaum Resonanz

Doch in diese Richtung gehen die Einschränkungen der Piraten nicht einmal im Ansatz. Sie verbergen nicht, was sie beraten - und auch die Menschen in der vergleichsweise kleinen "Private Zone" verstecken sich letztlich nicht. Für die Piraten ist deshalb, das betont ihre Sprecherin, die volle Transparenz gewährleistet. Aber es gebe nun einmal Mitglieder, die nicht gefilmt werden wollten.

Manche würden auch an ihren Laptops auf dem Parteitag arbeiten und wollten diese Inhalte geschützt wissen. Die Piraten selbst wollen das Ganze möglichst unaufgeregt sehen. Auf dem Bundesparteitag in Neumünster habe es Konflikte zwischen Journalisten und einigen Piraten gegeben, die nicht gefilmt werden wollten. Solche Konflikte wolle man vermeiden.

Zu Konflikten kommt es tatsächlich nicht - was allerdings auch an der medialen Resonanz des Landesparteitags liegen könnte: An diesem Samstag verirren sich nur wenige Kamerateams in der Lindenhalle, um den ausufernden Debatten der niedersächischen Piraten zu folgen.

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