Mecklenburg-Vorpommern:Letzte Bastion der NPD könnte fallen

Mecklenburg-Western Pomerania Prepares For State Elections

Wahlkampf in Schwerin: Halbnackte Frauen sind der NPD willkommen.

(Foto: Getty Images)
  • Vor der Landtagswahl liegt die NPD in Umfragen bei drei Prozent - ihr Wiedereinzug ist unsicher.
  • Dass die rechtsextreme Partei nicht gegen die AfD ankommt, hat sie sich bereits vor Beginn des Wahlkampfs eingestehen müssen.
  • Selbst wenn die NPD aus dem Landtag fliegt, bleiben die Rechtsextremen im Land.

Analyse von Antonie Rietzschel

Udo Pastörs fährt Fahrrad. Ein bisschen albern sieht das aus, wie er auf dem zu kleinen roten Gefährt sitzt und mit flatterndem NPD-Fähnchen klingelnd durch Güstrow radelt. Der Wahlkampfspot, den die NPD bei Facebook hochgeladen hat, soll Bürgernähe und eine gewisse Lockerheit transportieren. Dabei gilt Pastörs als sehr verbissen. Tatsächlich ist das Video auch eine perfekte Zustandsbeschreibung der Partei.

Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Der Wiedereinzug der NPD ist genauso unsicher wie Pastörs auf seinem Fahrrad. Umfragen sehen die NPD derzeit bei drei Prozent. Ihr großer Konkurrent, die Alternative für Deutschland, schafft es auf jeden Fall in den Landtag - die Frage ist nur, mit welchem Rekordergebnis. Derzeit liegt sie bei 19 Prozent.

Dass die rechtsextreme NPD nicht gegen die AfD ankommt, hat sich die Partei bereits vor Beginn des Wahlkampfs eingestehen müssen. Weil die Aussicht auf ein Direktmandat gering ist, hat sich die NPD dagegen entschieden, in den Wahlkreisen mit entsprechenden Kandidaten anzutreten. Die Partei empfiehlt ihren Wählern, die Erststimme der AfD und die Zweitstimme der NPD zu geben. Schnittmengen scheint es aus Sicht der Rechtsextremen durchaus genug zu geben. Bei einer Wahlveranstaltung der AfD wird von "asylpolitischem Amoklauf" und "Politik für das eigene Volk" geredet (Bericht von Peter Burghardt). Äußerungen wie diese könnten auch von Pastörs stammen.

Die letzte Bastion

Die Zweitstimmenkampagne zeigt, wie verzweifelt die Partei ist. Der 4. September entscheidet darüber, ob die Partei bundesweit endgültig in die Bedeutungslosigkeit abrutscht. Seitdem Holger Apfel aus der Partei gemobbt wurde und Frank Franz den Vorsitz übernahm, fällt die NPD kaum noch auf. 2014 flog sie aus dem sächsischen Landtag. In Thüringen kratzte sie nicht mal an der Fünf-Prozent-Hürde. Die NPD plagen finanzielle Probleme und Mitgliederschwund. So mancher witzelt sogar, dass ein Verbot, das derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, nicht mehr nötig sei. Die Partei schaffe sich selbst ab.

Mecklenburg-Vorpommern galt immer als letzte Bastion. Die vom früheren Bundesvorsitzenden Udo Voigt angestrebte Vernetzung mit den sogenannten Freien Kameradschaften gelang hier besonders gut. In den Fraktionsbüros arbeiten auch Anhänger von Neonazi-Organisationen.

Die Partei hat in Mecklenburg-Vorpommern 53 Mandate (Aufstellung von Spiegel Online), doch landespolitisch spielt sie kaum noch eine Rolle. Die Parteien im Landtag wissen, wie sie mit der NPD umgehen müssen. Durchgesetzt hat sich der sogenannte "Schweriner Weg", wonach nur ein Vertreter der demokratischen Parteien auf Anträge der NPD antwortet (was der "Schweriner Weg" sonst noch vorsieht). "Die NPD gilt hier als geächtete Partei", sagt Oliver Cruzcampo von Endstation Rechts, einer Internetseite, die rechte und rechtsextreme Aktivitäten dokumentiert.

Um 2016 dennoch an Stimmen zu gelangen, kündigte die NPD den "größten Wahlkampf aller Zeiten" an. Mehrere tausende Plakate seien geklebt worden, heißt es. "Familien brauchen Sicherheit" steht auf einem. Wer genau hinsieht, liest noch den Zusatz "Keine Rapefugees". Aktivisten erstatteten Anzeige wegen Volksverhetzung. Andere gestalteten die Parolen kreativ um:

Angeblich wurden von der NPD zudem 100 000 Rentner angeschrieben.

Seit mehreren Wochen ist die Partei in Gestalt von Udo Pastörs unterwegs. Der Wahlkampf ist auf ihn zugeschnitten. Sein Gesicht prangt auf dem Kleinbus, der durchs Land tourt. Er ist es auch, der im Hintergrund brüllt, als der Landesvorsitzende Stefan Köster an sein Handy geht. Köster muss erst ein paar Schritte gehen, damit Pastörs leiser und der Anrufer lauter wird. Gerade sei man zur Wahlkampfveranstaltung in Lübtheen, sagt Köster am Telefon. Eine Stadt mit fast 4800 Einwohnern, im Südwesten gelegen. Bis zur Wahl wolle man mehr als 100 Städte anfahren.

Der Rücklauf scheint gering. 20 Zuhörer sollen Köster zufolge in Lübtheen gekommen sein. Bei einer Veranstaltung in Schwerin kamen offenbar nur acht Personen. Köster spielt das herunter: "Wir kündigen unsere Veranstaltungen ja nicht offen an, sondern wollen spontan mit den Leuten ins Gespräch kommen."

Wahlkampf der NPD - zwischen Hetze und moderatem Auftreten

Im Wahlkampf scheint die NPD hin- und hergerissen zwischen Hetze und moderatem Auftreten. Allzu wild will sie es wegen des Parteiverbotsverfahrens offenbar nicht treiben. Im Wahlwerbespot sieht sich eine junge blonde Frau von dunklen Gestalten bedroht, sie tragen Pullover mit der Aufschrift "Rapefugees". Am Ende zückt die Frau sogar eine Waffe. Doch dann zeigt die Kamera einen Rentner, der vor einer verschlossenen Arztpraxis steht (eigentlich Pastörs' Bürgerbüro). Leere Schaukeln. Alles zerfließt schließlich in Aquarellfarben. Irgendwie wischiwaschi und am Ende heißt es: "Wir kümmern uns".

In einem anderen Video präsentiert sich Pastörs entspannt, auf einem rustikalen Stuhl sitzend. Ein Blumenstrauß steht auf dem Tisch. Im Hintergrund eine gläserne Obstschale und rote Backsteinbauten - Pastörs' Anwesen in Lübtheen. Was an einen Gesprächstermin für die Zeitschrift Landlust erinnert, ist ein inszeniertes Sommerinterview. Pastörs' Gesprächspartnerin, die sich selbst Emma Stabel nennt, sitzt im Kleid und hochhackigen Schuhen neben ihm und stellt Fragen. Es geht vor allem um Sozialpolitik. Wenn man den beiden zuhört, muss man sich danach noch mal in Erinnerung rufen, dass Udo Pastörs wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und es sich bei Emma Stabel um Nele S. handelt, die Freundin eines NPD-Kaders. Die junge Frau hört gerne Soldatenlieder und beschimpfte einen Schwarzen im Eiscafé als "Rassenschande".

Öffentlichkeitswirksame Provokationen gelangen der NPD im Wahlkampf bisher kaum: Eine Handvoll Anhänger der Jugendorganisation zogen sich schwarze Umhänge über den Kopf und standen als Muslima verkleidet in Schwerin herum. Das interessierte vor allem die Polizei. Der Clip in dem NPDler Holzknüppel an Haustüren hängen, wurde zur Lachnummer.

Die Angst ist gestiegen

Ob man so die Fünf-Prozent-Hürde überspringt? Der Landesvorsitzende Stefan Köster ist davon fest überzeugt. "Wir werden wieder reinkommen", sagt er. In der Vergangenheit habe man schon geringere Umfragewerte gehabt. "Und wenn die NPD rausfliegt, werden wir trotzdem weitermachen - wir haben hier Immobilien und Strukturen aufgebaut."

Hinter der schlichten Feststellung steckt ein Stück Wahrheit. Selbst wenn die NPD aus dem Landtag fliegen sollte - die Rechtsextremen bleiben. In den vergangenen Jahren haben sich Hochburgen im Land gebildet: Das Dorf Jameln gehört dazu und die Stadt Grevesmühlen im Mecklenburger Teil. Aber auch viele Landstriche im Osten des Bundeslandes. Nicht weit von der Stadt Güstrow haben sich sogenannte völkische Siedler niedergelassen. Mit MVgida, einem rechtsextremen Ableger von Pegida, waren die Neonazis in Mecklenburg-Vorpommern auch in der Öffentlichkeit wieder stärker präsent. Der Verfassungsschutz sieht in MVgida eine Tarnorganisation der NPD.

"Die Nazis werden immer frecher", sagt ein Aktivist aus Grevesmühlen, der seinen Namen nicht veröffentlichen will. Am Rande der Stadt steht das sogenannte Thing-Haus - eine Immobilie der Rechtsextremen, umgeben von Stacheldraht. Im Thing-Haus finden Konzerte oder Kinderfeste statt. Udo Pastörs hat dort ein Bürgerbüro. Bei einem der letzten Stadtläufe unter dem Motto "Grevesmühlen ist bunt" waren unter den Läufern offenbar auch Neonazis. Dem Aktivisten zufolge sollen sie braune T-Shirts getragen haben mit der Aufschrift "Thing-Haus". Auch MVgida marschierte durch Grevesmühlen. Mit der Präsenz der Rechtsextremen steigt bei den Ehrenamtlichen die Angst. "Mich kann am Ende niemand schützen", sagt der Aktivist aus Grevesmühlen. "Ich will nicht der Held sein, dessen Auto dann brennt".

Immer wieder werden Menschen bedroht oder sogar angegriffen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren. Ende Juli ging der Bus des Kommunalpolitikers Michael Steiger in Flammen auf. Da das Fahrzeug öfter als Demobus zum Einsatz kam, vermutet Steiger Rechtsextreme hinter dem Anschlag. Eine NPD-nahe Facebookseite veröffentliche Fotos und Namen von Journalisten, die bei einer Kundgebung von Udo Pastörs anwesend waren. "In der Form kannte ich das noch nicht", sagt dazu Oliver Cruzcampo von Endstation Rechts.

Die Linken-Politikerin Karen Larisch aus Güstrow ist immer wieder Ziel von Anfeindungen. Unbekannte versuchten, in ihr Haus zu gelangen. Larisch musste unter Polizeischutz gestellt werden. Auf rechtsextremen Seiten verbreiten sich Gerüchte über Larischs Gesundheitszustand. Der Briefkasten des Nachbarschaftsverein "Villa Kunterbündnis", dem sie vorsitzt, wurde gesprengt. An die Fassade schrieben Unbekannte "Volksverräter". Aufgeben will Larisch trotzdem nicht. Aber sie sieht, was die Bedrohung mit Menschen um sie herum macht. "Sie klopfen mir immer auf die Schulter für mein Engagement - aber wenn ich sage, sie sollten auch aktiv werden, heißt es nur: 'Lass mal'. Sie haben Angst", sagt Larisch. Ihr Kampf werde weitergehen - egal, wie die Wahl ausgeht.

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