McCain-Vize Palin:Sympathie für das wahre Leben

Lesezeit: 4 min

Die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter macht die potentielle Vize-Präsidentin Palin bei den Republikanern nur noch beliebter.

C. Wernicke

Das Zitat stammt aus Tagen, die nach neuester republikanischer Zeitrechnung zur Prä-Palin-Periode zählen. Aus einer Ära also, da selbst ein John McCain noch nie etwas gehört hatte von jener fischenden und schießenden Frau, die sich hoch oben in Alaska anschickte, Politikerin zu werden.

Sarah Palin (m.) im Kreise ihrer Familie: Nun wurde bekannt, dass ihre 17-jährige Tochter Bristol (ganz rechts) schwanger ist. (Foto: Foto: dpa)

Es geschah vor mehr als acht Jahren, bei McCains erstem Anlauf auf Amerikas Präsidentenamt. Damals hat der US-Senator die Frage, was sein Stellvertreter im Weißen Haus so alles zu tun hätte, recht präzise beantwortet. "Der Vizepräsident hat zwei Pflichten", gab der Republikaner anno 2000 zum besten, "die eine lautet, sich jeden Tag nach der Gesundheit des Präsidenten zu erkundigen. Und die andere ist, den Beerdigungen von Diktatoren in der Dritten Welt beizuwohnen".

Dermaßen respektlos lässt sich John McCain heute nicht mehr ein. Nicht, nachdem er am Freitag voriger Woche mit der Ernennung der adretten Sarah Palin doch "ein Zeichen" hat setzen wollen für die Bedeutung der Frau in der US-Gesellschaft.

Und erst recht nicht, da nun täglich lästige Neuigkeiten auftauchen über die potentiell zweite Person in Amerika: Etwa die Enthüllung, dass Palins älteste Tochter Bristol mit nur 17 Jahren unehelich schwanger ist.

Das passt, zumindest auf den ersten Blick, so gar nicht zu dem Bild, das die republikanische Kampagne seit Freitag zu malen versuchte von der Frau an McCains Seite. Das war Sarah Palin, die Alleskönnerin: Die Gouverneurin, die tagsüber mit harter Hand Alaska lenkt, und die fünffache Mutter, die nach Feierabend das traute Heim hegt und pflegt. Eine echte Konservative, gottesfürchtig und kategorische Gegnerin von Abtreibung, Homo-Ehe und Sexualerziehung in öffentlichen Schulen.

Stolz auf eine Konservative

Die christliche Basis der Partei war begeistert. Nur lauwarm hatte die evangelikale Rechte, die George W. Bush 2004 ungefähr 40 Prozent all seiner Stimmen zur Wiederwahl bescherte, bislang für McCain begeistert. Palin jedoch entfachte Feuer und Flamme.

Reihenweise entdeckten konservative Organisationen ihre Liebe und Leidenschaft für das republikanische Paar. Und ähnlich euphorisch zeigten sich zu Beginn des Parteitags in St. Paul auch viele Delegierte. Zum Beispiel Kimbery Dena, die 19-jährige Studentin aus Texas: Strahlend erzählt sie, "wie stolz ich bin, dass wir nun eine Konservative an der Spitze haben, die für das Leben eintritt".

Die junge Frau, die mit ihren braunen, hochgesteckten Haaren aussieht wie eine junge Schwester der Sarah Palin, hatte sich ursprünglich den früheren Baptistenprediger und wortflinken Ex-Gouverneur Mike Huckabee zum Präsidenten gewünscht. Huckabee scheiterte, Kimberly war enttäuscht. McCains Vize-Kandidatin hat sie nun wieder versöhnt: "Sie symbolisiert, dass unser Amerika sich auf den christlichen Glauben gründet."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Parteifreunde zur Schwangerschaft der minderjährigen Tochter sagen.

Sarah Palin: Ihr Leben in Bildern
:Power trotz Pannen

Sie ist Mutter und Schönheitskönigin, Waffenlobbyistin und Hoffnungsträgerin vieler konservative Amerikaner. Die vielen Seiten der Sarah Palin.

Aber die uneheliche Schwangerschaft, die vermeintliche Schande im Hause der Palins? "Das ist Privatsache," winkt Dena ab. Und Joel Fisher, ihr Parteifreund aus Dallas, prophezeit: "Wenn Sarah Palin hier am Mittwoch ihre Rede hält, wird die Begeisterung den Saal sprengen."

So unerschrocken reagieren die meisten Delegierten im Xcel Energy Center zu St. Paul. Wenn überhaupt, dann richtet sich ihr Zorn gegen jene "offensichtlich linken Blogger", die "diese Sache" hochgespielt hätten im Internet.

Das gipfelte in dem üblen Gerücht, Sarah Palins fünftes Kind - der erst im April mit Down-Syndrom geborene Trig - sei in Wahrheit der Sohn von Bristol. Da zogen die Palins entnervt die Notbremse und offenbarten aller Welt, was bei ihnen daheim im verschlafenen Wasilla City eh jeder Nachbar wusste: Dass vor Wochen "unsere schöne Tochter Bristol zu uns kam" und ihre Schwangerschaft gestanden habe, und dass sie "stolz sind über Bristols Entscheidung, ihr Baby zu bekommen." Ach ja, und dies: dass "Bristol und der Vater heiraten werden".

Amerikas Konservativen scheint dies zu genügen. Reihenweise mobilisierten die Frontorganisationen der christlichen Rechten laute Schützenhilfe. Auch solche Verbände, die ansonsten sehr strikt die Abstinenz vor der Ehe predigen: "Zum Glück folgt Bristol dem Beispiel ihrer Mutter und ihres Vaters und wählt das Leben", erklärte Tony Perkins, Chef des Family Research Councils, "wir sind entschlossen, für Bristol und ihren künftigen Ehemann zu beten."

Obama zurückhaltend

Hauptsache keine Abtreibung. Das meinen auch Tina und Bob Avery, das seit drei Jahrzehnten treu verehelichte Delegiertenpaar aus Oregon. "Sarah Palin ist und bleibt eine schöne Überraschung für mich", beteuert sie. Und er glaubt, die ganze Affäre werde die Vizepräsidentin in spe nur sympathischer, ja authentischer machen: "Die Palins erleben doch ein typisches Problem. Jeder von uns kennt diese Situation - aus der eigenen Familie oder im Freundeskreis." Die Averys haben zwei Töchter und inzwischen acht Enkel: "Wir wissen, von welchen Sorgen wir hier reden."

Nein, die unziemliche Schwangerschaft der Bristol Palin werde die US-Wahl 2008 nicht entscheiden: "Jedenfalls nicht zu unserem Schaden." Barack Obama, McCains und Palins demokratischer Herausforderer, hat seine Truppen jedenfalls angewiesen, die Affäre nicht auszuschlachten: "Hände weg!"

Kinder nicht in die Schlammschlacht zerren

Die Kinder des Gegners dürften nicht in die Schlammschlacht des Wahlkampf gezerrt werden. Falls er dennoch einen seiner Mitarbeiter dabei erwische, "dann wird der gefeuert, o.k.?" Der Fall geht Obama unter die Haut: Seine Mutter war 18 Jahre alt, als sie ihn zur Welt brachte.

Wenn überhaupt, dann blicken die Delegierten kritisch auf McCain. Dessen Versicherung, er habe bereits vor Palins Nominierung von Bristols Umständen gewusst, mögen nicht alle glauben: "Mir scheint, die haben da nicht richtig geprüft", mutmaßt anonym ein Wahlmann aus Kalifornien.

Rein präventiv hat McCains Mannschaft nun noch zwei andere schwarze Flecken auf Palins Weste preisgegeben. Ihr Mann Todd sei einmal wegen Alkohols am Steuer festgenommen worden. Und sie habe ohne Angelschein gefischt. Der Blick auf letzte Details beweist: Der Vize-Posten ist doch wichtiger, als es McCain einst ahnte.

© SZ vom 02. September 2008/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: