Mazedonien:Ausbeuter als Grenzhüter

Weil die EU sie braucht, fühlen sich die Mächtigen in Skopje sicher.

Von Nadia Pantel

Wenn die mazedonische Polizei Tränengas und Gummigeschosse gegen Flüchtlinge in Idomeni richtet, scheint die europäische Öffentlichkeit jedes Mal überrascht zu sein. Blut und Verletzte, mitten in Europa. In Mazedonien selbst haben sich die Menschen an Blut und Verletzte längst gewöhnt.

Spätestens im Mai 2015 wurde deutlich, dass der frühere EU-Liebling Nikola Gruevski zum Autokraten zu werden drohte. Die friedlichen Proteste gegen die korrupte Regierung ließ der damalige Premier gewaltsam niederknüppeln. Seitdem streiten Regierung und Opposition um die Bedingungen für Neuwahlen. Gruevski ist zwar im Januar zurückgetreten, doch der große Kreis seiner Freunde und Unterstützer ist noch an der Macht. Dank der Amnestie, die Präsident Gjorge Ivanov vergangene Woche aussprach, müssen sie auch nicht mehr fürchten, für ihre Ausbeutung des Landes zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Der Grenzzaun vor Idomeni hat nicht nur die Flüchtlinge aufgehalten, er hat auch die mächtigste Clique Mazedoniens geschützt. Ihre neue Position als ausgelagerter Grenzhüter der Europäischen Union scheint ihr das komfortable Gefühl der Unentbehrlichkeit gegeben zu haben. Doch für die Bevölkerung in Skopje ist die Frage, ob Zehntausende Geflüchtete durchs Land ziehen oder nicht, tatsächlich eher unerheblich. Sie wollen freie und faire Wahlen.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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