Max Stadler zu Online-Durchsuchungen:"Der Bund hätte es uns sagen müssen"

Die Innenausschuss des Bundestages staunte heute nicht schlecht, als bekannt wurde, dass die Nachrichtendienste des Bundes seit 2005 das Instrument der heimlichen Online-Durchsuchung nutzen. FDP-Innenexperte Max Stadler hält das für eindeutig rechtswidrig - und sieht sich nicht allein mit seiner Position.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Stadler, die Nachrichtendienste des Bundes sollen schon seit 2005 das umstrittene Instrument der Online-Durchsuchung anwenden. Was haben Sie dazu heute im Innenausschuss erfahren?

Max Stadler zu Online-Durchsuchungen: Max Stadler, Innenexperte der FDP im Bundestag

Max Stadler, Innenexperte der FDP im Bundestag

(Foto: Foto: FDP)

Stadler: Bisher hat die Bundesregierung nicht öffentlich gemacht, dass solche Online-Durchsuchungen durch die Nachrichtendienste tatsächlich schon stattfinden. Das aber wurde heute erstmals von Klaus-Dieter Fritsche, dem Geheimdienstkoordinator des Kanzleramtes, dem Innenausschuss in aller Deutlichkeit mitgeteilt.

sueddeutsche.de: Ist klargeworden, in welchem Umfang die Durchsuchungen bereits stattgefunden haben?

Stadler: Nein. Herr Fritsche hat lediglich mitgeteilt, dass sie bereits seit 2005, als noch unter der rot-grünen Bundesregierung, begonnen haben.

sueddeutsche.de: Wie haben die Mitglieder Ihres Ausschusses reagiert?

Stadler: Die Sache ist auf massiven Widerspruch der Parlamentarier gestoßen. Keiner hat die Position vertreten, solche Untersuchungen seien mit dem geltenden Recht vereinbar. Auch wenn die Vertreter der Großen Koalition Online-Durchsuchungen zum Teil weiter für wünschenswert halten. Wir als FDP halten dagegen die heimliche Online-Durchsuchung für einen ebenso massiven Grundrechtseingriff wie die akustische Wohnraumüberwachung, also den Großen Lauschangriff. Man sollte auf dieses Instrument gänzlich verzichten.

sueddeutsche.de: Wie bewerten Sie, dass es die Online-Durchsuchung offenbar schon regelmäßig nicht nur in den Ländern sondern auch auf Bundesebene gibt?

Stadler: Wir haben die Bundesregierung in der Vergangenheit mehrfach zu den Rechtsgrundlagen der Online-Durchsuchung befragt. Sie hat immer den Standpunkt vertreten, dass eine Rechtgrundlage bestehe, aber nicht von sich aus hinzugefügt, dass davon auch in der Praxis Gebrauch gemacht wird.

sueddeutsche.de: Fühlen Sie sich von der Regierung belogen?

Stadler: Ich will es mal so sagen: Die Bundesregierung hätte in den Antworten auf unsere Anfragen mitteilen müssen, dass Online-Durchsuchungen stattfinden. Auch wenn nicht direkt danach gefragt wurde. Es gibt ja seit Monaten eine intensive öffentliche Debatte über die Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen.

sueddeutsche.de: Haben die Nachrichtendienste einen Rechtsbruch begangen?

Stadler: Ich erkenne an, dass die Bundesregierung glaubt, die Durchsuchungen seien von den Vorschriften gedeckt. Aber diese Auffassung ist unserer Meinung nach eindeutig falsch. Zumindest kann man nach dieser Sitzung des Innenausschusses nicht mehr so tun, als sei alles in bester Ordnung. Entscheidend ist jetzt, dass die Bundesregierung die Konsequenzen daraus zieht.

sueddeutsche.de: Welche sollen das sein?

Stadler: Es kann auf keinen Fall heute Nachmittag irgendwo eine neue Online-Durchsuchung angeordnet werden. Bevor jetzt aber schnell ein neues Gesetz auf den Weg gebracht wird, sollte die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes abgewartet werden. Aber egal wie die Entscheidung ausfällt: Der Gesetzgeber sollte von der Online-Durchsuchung die Finger lassen.

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