Mauerfall:"Verlesen Text Reiseregelung"

schabowski

"Gelenkstelle der Weltgeschichte": Schabowskis Sprechzettel.

(Foto: dpa)

Ein Zettel mit Geschichte: Das Dokument von Günter Schabowski war lange Zeit verschollen. Nun ist es in Bonn zu sehen.

Nein, die Geschichte des Mauerfalls muss nicht in weiten Teilen neu geschrieben werden. Der Inhalt des sehr dünnen, linierten Blatts Papier ist bekannt, nur das Original war eben lange Zeit verschollen. Jetzt ist der Zettel wieder da - und hat im Haus der Geschichte in Bonn seinen Platz gefunden. Allein diese Tatsache weist auf eine gewisse Bedeutung hin. Doch Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung, nennt diesen Zettel sogar "eines der wenigen Dokumente der jüngeren Zeitgeschichte, von dem man sagen kann, dass es die Weltgeschichte beeinflusst hat".

"Verlesen Text Reiseregelung", steht auf dem handgeschriebenen Zettel. Die Stelle ist mit einem roten Pfeil markiert. SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski hatte sich auf das Blatt notiert, was er in der Pressekonferenz vom 9. November 1989 in welcher Reihenfolge den Journalisten erzählen wollte. Er war auf der wichtigen Sitzung des Politbüros nicht dabeigewesen und hatte nur kurz vor Beginn der Pressekonferenz die neue "Reiseregelung", wonach DDR-Bürgern künftig Reisen in den Westen erlaubt sein sollten, in die Hand gedrückt bekommen - und ein paar Hinweise von Egon Krenz. Auf die Frage eines Journalisten, ab wann die neue Regelung denn gelte, antwortete er dann mit den legendären Worten: "Sofort, unverzüglich." Dies führte noch in derselben Nacht zum Fall der Berliner Mauer.

Schabowskis Sprechzettel war verschwunden, seit er ihn 1991 einem Bekannten gegeben hatte. Nun meldete sich der Eigentümer, der allerdings anonym bleiben will. Er stammt ebenfalls aus Schabowskis Bekanntenkreis. Ihm kaufte das Bonner Museum das Dokument für 25 000 Euro ab. Kein hoher Preis für eine "Gelenkstelle der Weltgeschichte", wie Hütter betont.

Nach intensiven Recherchen ist der Notizzettel echt. Es liege auch eine persönlich unterschriebene Authentizitätsbescheinigung von Schabowski vor. "Zudem ergaben Schriftvergleiche sowie material- und herstellungstechnische Untersuchungen, dass es sich um das Original der Pressekonferenz vom 9. November 1989 handelt", teilt das Haus der Geschichte mit. 2011 bereits wurden die Originalaufnahmen (Bild und Ton) der Pressekonferenz ins Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen. Auch das offizielle Schriftstück zum Beschluss der Reiseregelung für die Presse, aufbewahrt im Bundesarchiv, gehört dazu.

Am Ende des Textes stehen die Worte: "Noch Fragen. Erneut Bezug zu Reiseregelung. Schritt zu Normalität". Die Normalität sah allerdings anders aus, als die SED sich das vorgestellt hatte.

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