Matthias Platzeck, SPD:Vorwärts, Genossen, ich halte mich zurück

Matthias Platzeck konzentriert sich ganz auf Brandenburg, verzichtet auf Visionen und hält sich fern von Berlin. Warum sich ein Hoffnungsträger der SPD gar nicht als solcher sieht.

Von Annette Ramelsberger

Der Hoffnungsträger Marke Ost ist umgänglich, charmant, kann reden, ohne ständig Predigten zu halten. Er gewinnt die Herzen der Leute und ist im besten Fall auch noch vorzeigbar. Und er widerspricht dem Kanzler nicht. Ein weich gespülter Sozi. So einer wäre Matthias Platzeck, Brandenburgs SPD-Ministerpräsident.

Doch die Spezies der Hoffnungsträger ist flüchtig. Wer gestern einer war, ist heute schon abgehakt. "Wenn wir über Hoffnungsträger reden, dann denken wir an Leute Ende 20, Anfang 30, an Leute wie Andrea Nahles und Christoph Matschie", heißt es in der SPD-Führung. "Eigentlich sind Wowereit und Platzeck doch in ein paar Jahren schon wieder Elder Statesmen."

Gerade zwei Jahre ist es her, dass Verkehrsminister Manfred Stolpe seinen Nachfolger Platzeck in Brandenburg ernsthaft als zukünftigen Kanzler empfahl. Heute steht Stolpe wegen der Maut auf der Kippe, und Platzeck darf sich bei der Feier zu seinem 50. Geburtstag anhören, er gehöre auf dem freien Markt eigentlich schon zu den "schwer Vermittelbaren" - das merkt Katrin Molkentin an, die stellvertretende Landes-Vorsitzende.

Dummerweise hat sie damit genau den Punkt getroffen. Hoffnungsträger werden in der SPD derzeit nicht gebraucht. Nicht nur Platzeck, auch all die anderen 50-Jährigen fallen in die Verwendungs-Lücke. Entweder sie bleiben in ihrem Land am Ruder oder sie verschwinden in der Opposition, höchstens als Ausputzer für einen entlassenen Stolpe könnten sie für zwei Jahre in die Regierung wechseln. Dann ist wieder alles offen.

Genossen wie der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin können einem das ganz wunderbar und einfach anhand von Zahlen klarmachen. "Wenn Schröder 2006 wieder antritt, ist rechnerisch vor 2010 kein Hoffnungsträger nötig. Wenn die Wahl gut geht, nicht - und wenn sie daneben geht, erst recht nicht." Und im Jahr 2010 ist dann schon die nächste Generation Hoffnungsträger an der Reihe.

Rückzug als politisches Kalkül

Deshalb besinnen sich Männer wie Platzeck oder der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit lieber auf das, was ihnen am nächsten liegt: ihr Land, ihre Stadt, ihr eigenes Leben. Zumal, sagt einer in der Partei-Spitze, wenn man eine junge Frau hat wie Platzeck. Der schöpft sein Lebenselixier, so heißt es in der Potsdamer Staatskanzlei, eben nicht nur aus der Politik. "Man hat den Eindruck, der will sich nicht so reinbeißen", so ein SPD-Präsidiumsmitglied.

So weit wie der Spiegel, der Platzeck das "fröhlichste Placebo" nennt, das den Brandenburgern je verabreicht wurde, so weit will natürlich niemand gehen.

Vorwärts, Genossen, ich halte mich zurück

Eigentlich sind alle froh, wenn Platzeck erstmal nur die Landtagswahl am 19. September gewinnt. Dann erst will man wieder über Hoffnungen reden.

Platzeck zieht sich völlig in sein Ländchen zurück, und dort hoffen sie geradezu, der Ministerpräsident möge keine Visionen haben. Die hatte sein Vorgänger Stolpe zur Genüge, und die Brandenburger stehen jetzt mit lauter Millionenpleiten da. Für Platzeck ist der Rückzug politisches Kalkül.

Anders als in Berlin, im Saarland oder in Bremen, wo es als Ausweis von Qualität gewertet wird, wenn der eigene Ministerpräsident bundesweit Schlagzeilen macht, mag der gemeine Brandenburger das überregionale Tändeln nicht, wie Platzecks Berater fürchten.

Generalverdacht, nach Berlin zu wollen

Jeder, der sich traut, auch nur einen Blick außerhalb des Landes zu werfen, gilt als verdächtig. Immer noch ist dort der alte DDR-Vorbehalt gegen die Politik aus dem Westen schönstens konserviert - und deswegen darf der Kandidat dieser Politik nicht zu nahe kommen, zumal jetzt, da die SPD im Bund in den Keller stürzt.

Deswegen wird in der Staatskanzlei auch eifrig daran erinnert, dass Platzeck schon einmal dem Ruf des Kanzlers ins Kabinett nicht gefolgt und lieber Potsdamer Oberbürgermeister geworden sei. "Ich biete dem eine super Zukunft, und der will lieber Bürgermeister in einem Dorf werden", habe Schröder damals gegrollt. "Ich stehe seit Beginn unter Generalverdacht, eigentlich nach Berlin zu wollen", sagt Platzeck.

Mittlerweile glaubt das keiner mehr. Er erscheint nur unregelmäßig bei den SPD-Präsidiumssitzungen, lässt sich nur selten bei der jungen Truppe der SPD-Netzwerker sehen, von bundespolitischen Initiativen aus Brandenburg ist nichts zu hören.

Allenfalls dass Platzeck mal die Ost-Ministerpräsidenten zusammenholt, um beim Kanzler ein paar zusätzliche Millionen locker zu machen. "Wenn morgen der Kanzler tot umfällt und die würden ihn fragen, wird er sagen: nee", sagt Platzecks Staatskanzleichef Rainer Speer.

Platzeck könnte es sich auch gar nicht leisten. Er ist die einzige Chance für die SPD in Brandenburg. Um 15 Prozentpunkte stürzten die Genossen bei den Kommunalwahlen im Herbst ab. Viele behelfen sich schon mit Galgenhumor: Bald sitze nur noch Platzeck in der Staatskanzlei, sonst sei bei der SPD landunter: "Platzeck allein zu Haus".

Im Potsdamer Rathaus hat Franz Müntefering den Genossen an einem Januarabend ins Gewissen geredet: "Mundwinkel hoch und Ärmel hoch", rief er. "Macht was aus dem Jahr!" Platzeck bedankte sich am Ende artig dafür, welchen Mut Müntefering der Runde gemacht habe. Den meisten Mut kann der verblasste Hoffnungsträger selbst gebrauchen.

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