Massive Proteste gegen Sparprogramm:Rumänischer Ministerpräsident tritt zurück

Wochenlang haben Zehntausende Rumänen gegen den harten Sparkurs der Mitte-rechts-Regierung demonstriert, nun zieht Regierungschef Emil Boc die Konsequenz und verkündet seinen Rücktritt. Er wolle dadurch "die politische und soziale Situation im Land entspannen", begründet er seinen Schritt.

Der rumänische Ministerpräsident Emil Boc ist nach wochenlangen Protesten gegen seinen Sparkurs zurückgetreten. "Es ist der Augenblick für wichtige, politische Entscheidungen", sagte Boc. Er begründete die Entscheidung, die bei einer live im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung bekanntgegeben wurde, mit dem Wunsch, "die politische und soziale Situation im Land zu entspannen".

File picture shows Romania's Prime Minister Emil Boc addressing the Parliament in Bucharest

Vertrauen der Bevölkerung verloren: Emil Boc legt sein Amt als rumänischer Regierungschef nieder (Foto vom Januar).

(Foto: REUTERS)

Bocs bürgerlich-konservative Partei PDL (Partidul Democrat Liberal) hatte ihn zu diesem Schritt gedrängt, nachdem sie in Umfragen immer weiter abgesackt war. Vor dem Hintergrund der strengen Sparpolitik der rumänischen Regierung sank der Wert der PDL allein von Dezember bis Februar von 21 auf 15 Prozent.

Der Regierungschef rief die politischen Lager des Landes dazu auf, sich schnell auf eine neue Regierung zu einigen und verteidigte gleichzeitig seine Arbeit als Ministerpräsident. Er habe schwierige Entscheidungen für die Zukunft Rumäniens getroffen, sagte Boc. "Nicht weil ich wollte, sondern weil ich musste." Zudem erwarte der Internationale Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr ein Wachstum von zwei Prozent in Rumänien. Das sei zwar weniger als erwartet, aber immer noch mehr als der Durchschnitt der Europäischen Union.

Politiker der Oppositionsparteien forderten vorgezogene Neuwahlen. Bisher war die Parlamentswahl für den November geplant. "Das ist ein Sieg für alle, die auf den Straßen demonstriert haben", sagte Crin Antonescu, Vorsitzender der oppositionellen Liberalen Partei. "Die korrupteste, inkompetenteste und verlogenste Regierung" seit dem Ende des Kommunismus in Rumänien sei fort.

Staatspräsident Traian Basescu sollte noch am Montag mit den Parteichefs zusammenkommen, um über einen neuen Ministerpräsidenten zu beraten, sagte sein Sprecher Valeriu Turcan.

In den vergangenen Wochen waren Zehntausende Demonstranten in der Hauptstadt Bukarest und anderen Orten des Landes auf die Straße gegangen, um gegen das harte Sparprogramm der Mitte-rechts-Regierung Bocs zu demonstrieren. Vereinzelt war es zu Ausschreitungen gekommen. Boc hatte mehrfach erklärt, er verstehe die Sorgen der Menschen, jedoch müsse die Sparpolitik fortgesetzt werden.

In den vergangenen beiden Jahren hatte die Regierung die Beamtenlöhne gekürzt, Rentenerhöhungen ausgesetzt und vor allem die Mehrwertsteuer drastisch erhöht: von 19 auf 24 Prozent - das trifft vor allem einfache Leute mit wenig Einkommen. Mit dem Sparprogramm will das von der Finanzkrise betroffene EU-Land Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen und sich auf den für 2015 geplanten Euro-Beitritt vorbereiten.

In diesem November stehen in Rumänien Parlamentswahlen an. Beobachter rechnen damit, dass ähnlich wie zuvor in Griechenland und Italien ein Technokrat die Führung der Regierung übernehmen könnte.

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