Martin Schulz:Ein Mann für viele Fälle

Kann der EU-Parlamentspräsident auch Außenminister? Gehandelt wird er, und sicherlich bringt er viele Qualitäten mit. Aber dann sind da auch sein Ego und das Rampenlicht. Nicht immer ist reden gut.

Von Daniel Brössler

In der Geschichte der Bundesrepublik ist das Amt des Außenministers den meisten Inhabern gut bekommen. Für gewöhnlich schraubte es ihr Ansehen in schwindelerregende Höhen. Sollte nun tatsächlich Martin Schulz Frank-Walter Steinmeier nachfolgen, wäre er der erste deutsche Außenminister, der bereits einen Friedensnobelpreis entgegengenommen hat, wenn auch stellvertretend für die Europäische Union. Vergangenes Jahr erhielt der "Kämpfer für die europäische Demokratie" überdies den Karlspreis. Als Außenminister hätte Schulz also schon alle Hände voll zu tun, die Flughöhe zu halten. Vielleicht wäre sogar genau das sein Problem.

Auf jeden Fall würde Schulz mit ungewöhnlich viel internationaler Erfahrung ins Auswärtige Amt einziehen. Sein bisheriges Amt sollte, insbesondere in der von ihm praktizierten Weise, nicht verwechselt werden mit dem eines Bundestagspräsidenten. Als Mehrheitsbeschaffer für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist Schulz eingebunden in alle wichtigen Vorhaben. Er hat Erfahrung darin, über Parteien und Nationen hinweg Kompromisse zu schmieden. Überdies zog Schulz immer wieder die Rolle des europäischen Krisenmanagers an sich. Als erster europäischer Spitzenpolitiker reiste er nach dem Putschversuch in die Türkei. Auch als das Handelsabkommen Ceta mit Kanada zu platzen drohte, schaltete er sich ein. Schulz kennt alle wichtigen Akteure in der europäischen Politik seit Jahren, auch international ist er vernetzt. Das Europäische Parlament hat Schulz viel von der Sichtbarkeit der vergangenen Jahre zu verdanken.

Kann der EU-Parlamentspräsident Außenminister? Kommt darauf an

Natürlich war es immer erst einmal Martin Schulz selbst, der da zu sehen gewesen ist. Schulz hatte nie ein Problem damit, sich auch mal ungefragt ins Scheinwerferlicht zu stellen. Wenn sich die Staats- und Regierungschefs informell treffen wie zuletzt in Bratislava, dann ist Schulz zumindest für eine Pressekonferenz zur Stelle. Schulz duldet nicht, übergangen zu werden. Seine Gegner im Parlament ächzen unter diesem Ego - und werten den Versuch, entgegen der bisherigen Vereinbarung eine weitere Amtszeit als Präsident zu erzwingen, als weiteres Zeichen der Maßlosigkeit. Seine Unterstützer indes rechnen ihm an, dass er oft genug beherzt verhindert hat, dass das Parlament übergangen wird. Müsste man sein Wirken auf einen Satz bringen, lautete der: An mir kommt ihr nicht vorbei.

Die rhetorische Kraft des überzeugten Europäers Schulz kann Deutschland nützen in einer Zeit, in der die Demokratie, die EU und der Westen unter Druck stehen. Allerdings besteht der Unterschied zwischen Deutschland und dem EU-Parlament darin, dass eigentlich niemand glaubt, an Deutschland vorbeikommen zu können. Öffentlichkeitsarbeit ist für die deutsche Diplomatie gelegentlich weniger erfolgsversprechend als öffentliche Zurückhaltung. Schulz hat sich in seiner bisherigen Laufbahn an die Devise gehalten, Gutes zu tun und darüber zu reden. Als Außenminister müsste er auch mal schweigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: