Martin Schulz:Ein brüchiger Deal

Martin Schulz: Martin Schulz steht gern im Mittelpunkt. Viele Europaabgeordnete sehen das mit gemischten Gefühlen.

Martin Schulz steht gern im Mittelpunkt. Viele Europaabgeordnete sehen das mit gemischten Gefühlen.

(Foto: Frederick Florin/AFP)

Die CDU ärgert sich über EU-Parlamentspräsident Schulz - und dessen Ambitionen. Denn eigentlich müsste der SPD-Politiker seinen Posten 2017 für die EVP räumen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Das Dokument stammt von Ende Juni 2014, trägt zwei Unterschriften und ist angeblich gut verwahrt. Es besiegelt einen simplen, aber doch weitreichenden Deal der beiden größten Fraktionen im Europäischen Parlament: Der Posten des Parlamentspräsidenten geht in der ersten Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode an die Sozialdemokraten, in der zweiten an die Christdemokraten. Unterzeichnende: Manfred Weber für die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) - und Martin Schulz für die sozialdemokratische S&D-Fraktion. Es ist eine Unterschrift, von der neuerdings wieder viel die Rede ist. Schulz solle sie nicht vergessen, sagen CDU-Leute im Parlament.

Im Januar 2017 steht die Neuwahl des Parlamentspräsidenten an. Der Karlspreisträger Martin Schulz müsste der Vereinbarung nach seinen Posten dann räumen für einen EVP-Kandidaten. Offiziell steht der Deal. Hinter den Kulissen aber ist längst ein Machtkampf entbrannt mit höchst kompliziertem Frontverlauf. Aus Sicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geht es um den Erhalt der Brüsseler Machtbalance.

Der luxemburgische Christsoziale Juncker und der deutsche Sozialdemokrat Schulz hatten den Europawahlkampf zwar als Spitzenkandidaten konkurrierender Parteien bestritten, ansonsten aber als ziemlich beste Freunde. Nach seinem Sieg hätte Juncker Schulz gerne als Vizepräsident der EU-Kommission gesehen, was an Bundeskanzlerin Angela Merkel scheiterte. Als Teil eines größeren Machttableaus durfte Schulz dann aber gegen jedes Gewohnheitsrecht für eine zweite Amtszeit Parlamentspräsident bleiben. Juncker, so ist zu hören, wäre es lieb, gäbe es für seinen Freund Schulz noch eine dritte Verlängerung. Wie wenig abgeneigt der SPD-Mann selbst dieser Idee ist, gilt im Europaparlament als außerordentlich schlecht gehütetes Geheimnis.

Einerseits. Andererseits hat Schulz immer Wert gelegt auf seine bundespolitische Wirkung. Er ist Mitglied des SPD-Präsidiums und war immer wieder im Gespräch für höhere Aufgaben in Berlin. Das ist nicht neu. Aufgefallen ist aber schon, dass der Parlamentspräsident nun zweimal innerhalb nur weniger Tage mit scharfen Attacken gegen CDU-Minister der Bundesregierung aus der Deckung gegangen ist. Zunächst griff er Finanzminister Wolfgang Schäuble an, dem er eine Mitschuld gab an der Spaltung Europas. Dessen harte Haltung in der Euro-Krise, sagte er dem Spiegel, habe in der Flüchtlingskrise eine "Retourkutsche" provoziert. Nur wenig später knöpfte er sich Innenminister Thomas de Maizière vor. Dieser habe es "seit Jahren trotz der Klagen aus Ländern und Kommunen nicht geschafft, dafür zu sorgen, dass die Verwaltungsvorschriften umgesetzt und die Asylanträge zügig bearbeitet werden", sagte er der Welt. So gehe das nicht, beschwert sich nun Herbert Reul, der Chef der CDU-Gruppe im Europaparlament. "Entweder er ist Parteipolitiker oder Präsident des Europaparlaments", verlangt er. Von Schulz sei zu erwarten, dass er "seine unparteiische Rolle wahrnimmt".

Im Lager von Schulz wird derlei Kritik zurückgewiesen. "Der Parlamentspräsident behält sich vor, Probleme beim Namen zu nennen. Dafür bekommt er europaweit von den Bürgern große Unterstützung, denn das Parlament ist der Ort der europäischen politischen Debatten", sagt sein Sprecher. Weder der Präsident des Rates, noch der Kommission oder des Parlaments seien "politische Neutren".

Tatsächlich hat Schulz für sich eine Rolle geschaffen, die mit der nationaler Parlamentspräsidenten kaum vergleichbar ist. Nicht nur steht er im Fokus wie keiner seiner Vorgänger, im Zusammenspiel mit Juncker hat er sich auch eine veritable Machtposition gesichert. Viele Europaabgeordnete sehen das mit gemischten Gefühlen. Einerseits begrüßen sie den Bedeutungszuwachs des Parlaments, anderseits missbilligen sie, wie stark sich Schulz in den Mittelpunkt stellt. Selbst Reul räumt ein, dass sich Schulz Verdienste um das Parlament erworben hat. Daraus lasse sich aber kein Anspruch auf eine weitere Amtszeit ableiten. "Eigentlich ist es unsäglich, dass es diese Debatte überhaupt gibt", sagt er und verweist auf die Unterschrift des SPD-Mannes. In der CDU-Gruppe jedenfalls wolle niemand Schulz zu einer dritten Amtszeit verhelfen. Da herrsche "hundertprozentiger Konsens".

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