Martin Schulz:Der will was

Der Präsident des Europaparlaments wechselt nach Berlin. Ihm sprießt die Ambition aus allen Poren. Zumindest in seiner SPD, die stets mit sich hadert, könnte Schulz einiges bewirken.

Von Nico Fried

Früher war alles anders. Früher war Europa das Austragshäusl für Politiker, die man zu Hause nicht mehr brauchte. Das hat dem Bild, das sich die Deutschen von der Europäischen Union gemacht haben, nicht genützt. In Martin Schulz wechselt jetzt erstmals ein prominenter Europäer von Brüssel in die Bundespolitik, was dem eingefahrenen Berliner Betrieb nicht schaden kann. Außerdem kommt Schulz ganz gewiss nicht nach Deutschland, um sich einen sanften Übergang in den Ruhestand zu organisieren. Die Umzugskisten mögen noch in Brüssel stehen, aber sein Ehrgeiz ist längst in Berlin.

Die SPD muss sich nun entscheiden, was sie mit dem bundespolitischen Seiteneinsteiger anfangen will. Das wird für Parteichef Sigmar Gabriel eine schwierige Entscheidung - zumal es ein Amt, das sich Martin Schulz selbst nicht zutraut, nicht gibt. Zugleich wird einer, dem die Ambition aus allen Knopflöchern sprießt, einer Partei guttun, in der die einen sich vor höheren Aufgaben drücken und die anderen drucksen.

Martin Schulz ist fürwahr ein leidenschaftlicher und überzeugter Europäer. Und er ist ein leidenschaftlicher und überzeugter Schulzianer. Beides hat sich über die Jahre gegenseitig befördert und gefördert. Als Abgeordneter hat er einst Silvio Berlusconi in die Schranken verwiesen, was gut war für Europa und für ihn auch. Schulz hat das Europäische Parlament deutlich gestärkt und mithin seine Position als Präsident. Er hat Spitzenkandidaten bei der Europa-Wahl durchgesetzt, weil er unbedingt Kommissionspräsident werden wollte. Damit ist er letztlich ebenso gescheitert wie mit dem Versuch, die Vereinbarungen über die Amtszeit des Parlamentspräsidenten umzuinterpretieren.

Außenminister? Oder lieber Kanzlerkandidat?

Schulz hat viel erreicht. Sein größtes Verdienst war der Beweis, dass man von Europa aufrichtig begeistert sein und mitreißend darüber reden kann. Jetzt wechselt er in die Bundespolitik. Man weiß, dass er was will, aber man weiß noch nicht, ob er's auch kann. Wenn der Parlamentarier Schulz an seine Grenzen geriet, konnte er stets - und sehr häufig auch zu Recht - den Nationalstaaten die Schuld zuweisen. Wenn er jetzt Außenminister werden sollte, ist er selber Nationalstaat. Und ein Martin Schulz, der plötzlich Europa die Schuld gäbe, hätte ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Für das Auswärtige Amt wäre er in der SPD mit Abstand erste Wahl. Aber kann er auch Kanzlerkandidat? Sein größtes Manko ist die fehlende Regierungserfahrung. Er war bloß Bürgermeister von Würselen. Unbeteiligt an der großen Koalition, kann er freilich Angela Merkel freier angreifen als der Vizekanzler Sigmar Gabriel. Deshalb wäre auch die Kombination aus Außenministerium und Kanzlerkandidatur widersinnig. Vor allem aber wäre Schulz in der Lage zu motivieren und zu mobilisieren, wenn er über die SPD so redet, wie er über Europa zu reden vermag. In einer Partei, die stets so sehr mit sich hadert wie die SPD, könnte er damit schon einiges bewirken.

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