Marokko:M6 behält das letzte Wort

Fünf Jahre nach sanften Reformen wählt Marokko ein neues Parlament. Doch selbst wenn die Islamisten ihre Mehrheit verteidigen sollten, bleibt die Macht im Land am Ende doch bei König Mohammed VI.

Von Moritz Baumstieger

Am Mittwoch wurde die marokkanische Regierungspartei "Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD) von einem Skandal erschüttert: Der von ihr gestellte Kommunikationsminister Mustafa El Khalfi soll das Plagiat eines Songs für Wahlwerbung eingesetzt haben. Zeitungen und TV-Sender berichteten empört, der Minister selbst verweigerte jeden Kommentar.

Dass solch eine Lappalie im Endspurt eines Wahlkampfes für Schlagzeilen sorgt, muss eigentlich verwundern: Wenn Marokko an diesem Freitag ein neues Parlament wählt, steht zumindest unterschwellig mehr zur Abstimmung als nur die Frage, welche 395 Abgeordneten die 34 Millionen Marokkaner in den nächsten fünf Jahren vertreten sollen. Die Wahl kann auch als ein Plebiszit über die vorsichtigen Reformen gesehen werden, die König Mohammed VI. nach Protesten im Zuge des Arabischen Frühlings anschob - und als ein Test, ob die dadurch entstandene Machtteilung zwischen gemäßigten Islamisten und dem Königshaus hält.

Andererseits mag die Diskussion über Nebensächlichkeiten wie den Wahlwerbe-Song aber auch nicht überraschen: Die neue Verfassung, die der "M 6" genannte Mohammed VI. im Jahr 2011 im Rekordtempo ausarbeiten ließ, räumt dem Parlament und der Regierung zwar mehr Macht ein. Das wirkliche Entscheidungszentrum Marokkos liegt aber nach wie vor im Königspalast in Rabat, grundsätzliche Fragen zur Zukunft des Landes stellen die meisten der 30 bei der Wahl antretenden Parteien deshalb nicht. Viele Programme ähneln einander und sprechen eher schwammig von Modernisierung und Korruptionsbekämpfung. Scharfe inhaltliche Debatten waren im Wahlkampf eher Mangelware.

Bei der Wahl im Jahre 2011 gewann die islamistische PJD. Gemäß der neuen Verfassung berief Mohammed VI. eines ihrer Mitglieder zum Premierminister. Bis dahin hatten sich der auch als geistiges Oberhaupt Marokkos ausgewiesene König und die Islamisten ablehnend gegenübergestanden, nun verwalteten sie das Land fünf Jahre gemeinsam: Die aus vier Parteien bestehende Koalitionsregierung von Premierminister Abdelilah Benkirane brachte einige wirtschaftliche Reformen auf den Weg, baute Subventionen ab, führte so etwas wie eine Schuldenbremse ein. Die Impulse für diese Politik kamen aus dem Hof, Benkirane und seine Islamisten gaben sich moderat, so verlief die zugunsten des Königs recht einseitige Machtteilung weitestgehend harmonisch.

Wahlumfragen sind in Marokko per Gesetz verboten, aber auch ohne sie ist klar, dass nur die königstreue "Partei für Authentizität und Moderne" (PAM) den Islamisten den Wahlsieg streitig machen könnte. Die PAM wurde 2008 von einem Schulfreund des Königs gegründet, der inzwischen als sein Berater fungiert. An eben jenem einflussreichen Zirkel im Schatten des Monarchen entzündete sich die größte Kontroverse im Wahlkampf, die das Experiment der Machtteilung zwischen Monarchie und politischem Islam gefährden könnte: Aus der PJD wurde Kritik am Phänomen des "tahakum" laut, der "Fernsteuerung" der Regierung durch das Umfeld des Königs. Den im Volk populären "M 6" direkt anzugreifen, wagt auch Benkirane nicht, man zielt lieber knapp daneben.

Die Mehrheit scheint sich für die Reformen des Königs nicht zu interessieren. Die Wahlbeteiligung, 2011 noch bei 45 Prozent, dürfte laut Beobachtern noch einmal sinken. Und auch über die Machtverteilung machen sich die Marokkaner wenig Illusionen. Dass der plagiierte Song, den die Islamisten für ihre Wahlwerbung verwendeten, ein Loblied auf den König war, passt da gut ins Bild.

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